"30 Jahre lang Speckknödel! "

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Mit ihrer unkonventionellen Art - und Küche - hat die gebürtige Österreicherin Sarah Wiener die Medien erobert. Ein Gespräch über Großmutter-Rezepte und Männerhierarchien.

Die Furche: Frau Wiener, Sie betreiben in Berlin drei Restaurants und sind gerade im Rahmen der ARTE-Doku-Reihe "Die kulinarischen Abenteuer der Sarah Wiener" zu sehen, wie Sie quer durch Frankreich touren und lokale Spezialitäten nachkochen. Was macht Kochen derzeit so medientauglich?

Sarah Wiener: Zum einen muss man nicht mehr jeden Tag kochen, es ist also keine Fronarbeit der Frauen mehr, sondern Kochen wird immer mehr mit Kreativität und Lust verbunden. Und zum anderen stehen hinter den Herden in den Medien nicht nur Spezialisten, sondern auch ganz normale Menschen, mit denen sich die Zuschauer identifizieren können.

Die Furche: Sie gelten als unkonventionelle Köchin - fernab der Haute Cuisine. Wer hat Sie selbst kulinarisch inspiriert?

Wiener: Meine großen Vorbilder sind die Großmütter und Tanten dieser Welt, die Rezepte von Generation zu Generation weitergeben, 30 Jahre lang die Speckknödel gleich gemacht haben und deshalb perfekt in ihrem Metier sind. Es ist auch sehr spannend zu sehen, wie verschiedene Amateure auf hundert verschiedene Arten einen Kartoffelsalat machen. Ich habe also eine konservative Essmeinung - im Gegensatz zu meinem sonstigen Wesen.

Die Furche: Kochen Männer anders als Frauen?

Wiener: Diese Frage kann man nicht beantworten. Ich gehe aber davon aus, dass die großen Köche dieser Welt alle einmal vom Teller ihrer Mutter gegessen haben und dass der Geschmack und die Kochkultur von den Frauen geprägt worden ist. Wie jemand kocht, hat eher mit dem Charakter zu tun als mit dem Geschlecht: Manche kochen wilder und experimentierfreudiger, andere traditioneller. Wenn ich aber als Frau jeden Tag für meine Familie kochen muss, dann habe ich sicher weniger Lust, am Wochenende ein Feuerwerk der guten Laune abzubrennen, während Männer, die das rein hobbymäßig betreiben, dann gern Leute einladen, um ihnen zu zeigen, wie toll sie sind.

Die Furche: Aber wie kommt es, dass in den Spitzenküchen dieser Welt derartig wenig Frauen vertreten sind?

Wiener: Beim Kochen ist es so wie in allen anderen Bereichen unserer Gesellschaft: Wenn Geld und Ruhm zu vergeben sind, schreien die Männer: "Hier!", und wenn es eine Arbeit ist, die im Stillen hinter verschlossenen Türen verrichtet werden muss, machen es die Frauen. Die Kochzeiten sind außerdem sehr asozial und familienunfreundlich, und Kochen in der Gastronomie ist noch dazu körperlich sehr anstrengend. In einem Restaurant muss man auch oft in einem Team, in einer Hierarchie arbeiten, und sehr viele Männer haben noch immer Probleme, unter einer Frau tätig zu sein.

Die Furche: Könnte es den Männern auch mehr liegen, dass in der Spitzengastronomie weniger Geschmack als Optik und Originalität zählen?

Wiener: Natürlich spielen in der Hochküche Ästhetisierung und Originalität eine viel größere Rolle als im Alltag. Ich bin insofern eine bodenständige Köchin, weil mich das tagtägliche Essen interessiert und welche Auswirkungen es auf unseren Körper und Geist hat. Das beste Essen ist ein einfaches Essen, das wir mit unseren Geschmacksnerven einordnen können. Wenn Kritiker von "Geschmacksexplosionen auf der Zunge" jubeln, dann hat das natürlich seine Berechtigung. Letztlich sind wir aber Tiere, die immer wieder zurückfallen in ihre atavistischen Essgewohnheiten. Unser Darmhirn ist eben stärker als unser Kopfhirn. Deshalb setzen sich sehr viele Experimente à la longue auch nicht durch.

Das Gespräch führte Doris Helmberger.

TV-TIPP: "Die kulinarischen Abenteuer der Sarah Wiener", Montag bis Freitag um 20 Uhr 15 auf ARTE.

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