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Von "New Crowned Hope" bis zur "documenta": Kochen avanciert zur Kunstform. Kochen ist das Herz einer Kultur. Und es ist nicht nur enorm medientauglich, sondern wird auch immer öfter als Kunstform praktiziert. Beim Essen zeigt sich, was Menschen wichtig ist - und ihr Umgang mit den Ressourcen des Planeten. Im Furche-Dossier erwarten Sie Gespräche mit den Starköchinnen Alice Waters und Sarah Wiener, ein Vergleich von kochenden Männern und Frauen, eine "Bio"-Reportage sowie ein Essay über die nationale Geschichte auf tschechischen Speisekarten redaktion: cornelius hell und magdalena miedl

Die Nachwehen deutscher Gammelfleischskandale erschüttern noch immer heimische Kebabstände, und nach BSE, Maul-und Klauenseuche und Geflügelpest wird den Konsumenten immer deutlicher, dass billiges Essen eben nicht besonders gut sein kann.

Trotz aller Warnungen bleibt Essen und Kochen das große Thema. Immer mehr steht der Genuss im Vordergrund, und mittlerweile ist es kein Geheimnis mehr, dass "gut" und "gesund" einander nicht ausschließen, sondern bedingen.

Kochbücher boomen weiterhin, die Tageszeitung Österreich hat mit einer Kochbuch-Bestellaktion großen Erfolg, und auch das Landwirtschaftsministerium hat erkannt, dass sich der "Feinkostladen Österreich" mit den Genussregionen noch besser verkauft. Fressfeuilletonist Wolfram Siebeck schreibt sich in der Wochenzeitung Die Zeit selbst zu, dass die Schalotte in deutsche Küchen Einzug gehalten und Schokolade den Sprung vom Accessoire beim Dessert zum bitter-süßen Bestandteil des Hauptgerichts geschafft hat - was in der römischen Küche beim geschmorten Ochsenschlepp übrigens seit Generationen zum guten Ton gehört.

Kochen als Hochkultur ...

Doch längst ist Essen nicht mehr nur in der Küche und am Tisch zuhause. Peter Sellars nahm das Thema mit den Tables of New Crowned Hope als gleichwertigen Bestandteil in sein Mozartfestival auf und lud mit Alice Waters eine der berühmtesten Köchinnen Amerikas ein. Waters (siehe Interview auf Seite 22) ist gleichzeitig die internationale Vertreterin von Slow-Food, einer Organisation, die seit 1989 ein Netzwerk von Produzenten und Restaurateuren knüpft, zur Verbreitung des langsamen Genusses und der Wertschätzung regionaler Produkte und Kochtraditionen. Waters war in Wien, um ihre Botschaft von der gemeinsamen, kulturübergreifenden Mahlzeit unter die Österreicher zu bringen. Noch vor einem knappen Jahr diskutierte sie bei den Filmfestspielen Berlin mit Filmemachern, Köchen und Künstlern zum Thema Hunger, Food and Taste Nahrung als Thema der Zukunft.

Bei derselben Veranstaltung sprach auch Peter Kubelka, Filmemacher, ehemaliger Direktor des österreichischen Filmmuseums und leidenschaftlicher Koch. Er erklärte einem neugierigen Publikum, was Essen zum ersten Akt der Kommunikation in der Menschheitsgeschichte macht, zu einer moralischen Botschaft: Mit dem, was er kocht, erklärt sich der Mensch, steckt sein Revier ab, teilt sich anderen mit. Bronzezeitliche Mütter mischten ihren Kindern vielleicht Waldbeeren mit Milch und verdeutlichten damit: Ich weiß, wo diese Beeren zu finden sind und wann sie reif sind - und die Ziege, die ich gezähmt habe, gibt mir Milch.

Und immer noch kommunizieren Menschen mit der Wahl ihrer Nahrungsmittel, worauf sie Wert legen. Wer für ein Biohendl mehr zahlt, hat sich das zuvor überlegt, und wer auf Fleisch verzichtet, tut das womöglich auch aus moralischen Gründen. Wer Fast Food vermeidet, trifft ebenso eine Entscheidung wie der, der sich abends Pizza liefern lässt. Und die, die beinahe ganz aufs Essen verzichtet, setzt damit erst recht ein Statement - modisch oder moralisch. Entscheidungen, die beim Essen getroffen werden, beeinflussen nicht nur die Gesundheit und das momentane Wohlbefinden. Sie sind Ausdruck des Lebensstils, der Achtsamkeit, der Wertigkeiten, und auch des kulturellen Hintergrunds.

... und Kommunikation

Essen kann auch verdeutlichen, welchen Wert jemand seiner kulturellen Herkunft beimisst. Migranten bewahren in der Fremde ihre kulinarischen Traditionen womöglich viel sorgfältiger, als sie das daheim tun würden. Das spiegelt sich dann in der Kunst wider: In Francis Ford Coppolas Der Pate umsorgt die sizilianische Mafiafamilie in New York ihre Pasta und die Paradeissauce sorgfältiger als ihre Waffen, und gedungene Mörder haben schon einmal Tränen in den Augen, wenn sie über die Freuden des Knoblauchschneidens sprechen.

Das Essen ist in der Hochkultur angelangt. Wer daran noch zweifelt, führe sich vor Augen, dass mit dem Katalanen Ferran Adrià zum ersten Mal in der Geschichte der documenta in Kassel ein Koch als Künstler eingeladen wurde. Zwar sind die Pläne noch so geheim oder unklar, dass keiner verraten mag, wie Adriàs artifizielle Düfte und Schäume dem großen Publikum der Kunstmesse zugänglich gemacht werden. Doch damit ist das Kochen vom Handwerk endgültig zur Kunstform geadelt worden.

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