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Besucher, die mir besonders wohlgesonnen sind, sagen, mein Arbeitszimmer sehe aus wie ein Museum. Andere meinen, es gleiche eher einer Rumpelkammer. Bücher, Bilder, Schreibutensilien, Talismane, Uhren, Nippes, Fotos, Skulpturen, Vasen, volle Schnapsflaschen (seit Jahren ungeöffnete Geschenke), Telefon - also alles was man braucht oder auch nicht. Ich weiß, wie schwer es ist, zusammenzuräumen, aber ich versuche es von Zeit zu Zeit, nur, eines kann ich nicht: Ich kann nichts wegwerfen. Diese Tasche da, die hat mir meine Frau vor dreißig Jahren gekauft, die Vortragsmappe aus Perlziegenleder eine Kollegin, da die Kühlerfigur meines alten Jaguar, auf den ich so stolz war, da eine Medaille, die mir ein Politiker überreichte - ich hänge an diesen Sachen.

In der Kriegsgefangenschaft haben mir Kameraden (ich hab dort Theateraufführungen organisiert und viel gespielt, alles aus dem Kopf und sehr improvisiert) aus einem alten Brett einen Brieföffner geschnitzt und feierlich überreicht - ich häng' an dieser Erinnerung. Was ist das, wer macht das, daß man sich so gar nicht trennen mag von solchen Dingen? Erinnerung? Erziehung? Ich weiß es nicht - es ist wie ein Zwang, das alles aufzubewahren.

Dreh's Wasser ab, es tropft - Wasser kostet Geld! Licht aus, Strom ist teuer, heb das Spagatschnürl auf - ich höre noch die mahnenden Stimmen meine Mutter und meine Großeltern. Meine Frau hat von ihrer Mutter noch eine Schachtel mit Knöpfen und eine mit Hafteln und Druckern. Und den Christbaumschmuck hat zum Teil noch mein Großvater gekauft.

Ich habe alte Theaterprogramme, sie sollten längst verbrannt werden, die Laden quellen über - ich kann nicht. Den Zylinder meines Großvaters, Papas Brillenetui und Guido Wielands Smokingpfeife - ich muß sie um mich haben. das ist meine Verbindung zur erlebten Vergangenheit, das ist mein Verständnis von Bewahren und Tradieren. Neben dem Neuen selbstverständlich, aber neben nicht nur Neuem, und das alles ohne Verbindung zur Geschichte.

Die handgeschnitzten Schachfiguren, die mir mein verstorbener Sohn Hans geschenkt hat nicken, Erich Knölls Uhr tickt zustimmend und die venezianischen Masken lachen. Ich fühl mich gut mit meinem Krempel, ich kann nicht, nein, ich will mich von ihm nicht trennen.

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