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Um Zionsberg und Dormitio

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Jerusalem, im Oktober

Der Zionshügel südlich der Altstadt mit seiner „Dormitio Mariae", dem traditionellen „Haus des Kaiphas“, dem Komplex des „Coenaculums" und dem kleinen Kloster der Franziskaner ist unter den heiligen Stätten Jerusalems die einzige im jüdischen Sektor der o unglücklich geteilten Heiligen Stadt. Wohlunterrichtete Kreise des Franziskanerordens erwarten nun nach der Rückkehr Pater Alberto Goris, des „Guardians vom Zionsberg und Kustos des Heiligen Landes", aus Rom für das Heilige Jahr eine päpstliche Erklärung, welche die Verehrungswürdigkeit der Zionsheiligtümer aufs neue betonen wird.

Die „Hagia Zion“ der Byzantiner, erbaut auf der traditionellen Stätte des Hauses der Mütter des Johannes, der Markus genannt war, führte den Titel „Mutter aller Kirchen" und stand als erste und älteste Kirche der Christenheit in fast noch höherer Verehrung als die Kirchen des Heiligen Grabes und der Geburt Jesu in Bethlehem. Mit den Sälen der Fußwaschung und des Letzten Abendmahles, der Krypta des Marienschlafes und der Kapelle der Ausgießung des Heiligen Geistes war ihr Reichtum an Pilgerstätten reicher als der jeder anderen Kirche der Christenheit. Das Zionsmünster der Kreuzfahrer war der Erbe ihrer Tradition, die schließlich in dem Klösterchen um das „Coenaculum" fortlebte, in dem sich die Franziskaner bis in die Zeit Suleimans IL auf dem Zion halten könnten.

Während die Armenier im Besitz ihres Kloster im „Hause des Kaiphas" blieben, gelang es erst Wilhelm IL, 1898 für die Katholiken eine Andachtsstätte auf dem Zion zu erwerben. Der Kölner Dombaumeister Renard erbaute in karolingischem Stil Kirche und Abtei der „Dormitio", die den deutschen Benediktinern übergeben wurden. In den zwanziger Jahren gelang e dann auch den Franziskanern, in der Nähe des unveräußerlich, in mohammedanischem Besitz befindlichen „Coenaculums“ Land für ein kleines Kloster’ zu erwerben.

Der deutsche Zusammenbruch im ersten Weltkrieg gestaltete die Lage der Benediktiner schwierig. Wirtschaftliche Schwierigkeiten und das Dritte Reich hatten sie beim Ausbruch des zweiten Weltkrieges verzweifelt gestaltet. Es ist nicht abzusehen, wie sich der Orden unter den angegebenen Umständen auf dem Zion halten sollte, selbst wenn die schweren Kriegsschäden des Kampfes um Jerusalem volle Gutmachung finden. Es scheint nun, daß vom Vatikan eine Neuregelung der Obhut auf dem Zion in Erwägung gezogen wird.

Man hofft hier auf eine dogmatische Erklärung, welche im Heiligen Jahr die Himmelfahrt Mariens zum Gegenstand haben würde, mit der sich die alten Theologen so oft befaßten. Der historische Name der „D o r m i t i o", welche die Krypta des Marienschlafes einschließt, erinnert daran.

Jedenfalls darf nach den Informationen, die Jerusalem von Rom erreicht haben, angenommen werden, daß der Kirche, dem monumentalen katholischen Heiligtum auf dem Zion, der historische Rang der alten „Hagia Zion“ zurückgegeben und damit die alte Dreiheit der heiligen Stätten, Golgatha, Zion, Bethlehem, wiederherstellen wird. — In diesem Zusammenhang glaubt man hier annehmen zu dürfen, daß dieses dritte Zionsmünster in die Obhut des Franziskanerordens zurückkehren wird, dessen Obere im Heiligen Lande den Titel eines „Guardians vom Zionsberge" niemals aufgegeben haben.

Es liegt auf der Hand, daß solche päpst- Eche Entschließung da Problem der heiligen Stätten und ihrer Internationalisierung wesentlich beeinflussen würde. Heute befinden sich alle heiligen Stätten Jerusalems, die das historische Statut des „Status quo“ als solche „erster Ordnung" bezeichnet, in arabischem Besitz. Eine Rangerhebung der „Dormitio würde diesen Zustand entscheidend ändern. Die Erneuerung der „Hagia Zion“ würde zweifellos dazu führen, daß der gesamte Zion mit seinen Kirchen, Kapellen und Friedhöfen dem künftigen internationalen Regime der heiligen Stätten überantwortet wird. Dieser urheilige Bezirk, dessen weltliche Bevölkerung stets minimal war, würde sich auch vortrefflich dazu eignen, dem neuen Regime jenes autonome Minimalterritorium zu bieten, ohne dessen Besitz es eine Farce bleiben müßte.

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