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Die zu Recht umjubelte "Così fan tutte"-Produktion der Wiener Festwochen.

Große Kunst bedürfe zuweilen eines oder zweier Jahrhunderte, um anerkannt zu werden. Dieser Ausspruch Lorenzo da Pontes scheint wie gemacht für "Così fan tutte", die letzte jener drei Opern von Wolfgang Amadé Mozart, zu denen er das Libretto beisteuerte. Den Moralvorstellungen des 19. Jahrhunderts nicht entsprechend, wurde das Werk bis zur Unkenntlichkeit bearbeitet, bis ins vorige Jahrhundert hinein blieb die Oper anrüchig, so dass sich Reclams Opernführer noch 1962 fragte, was Mozart bloß an diesen "Menschen des Alltags" gefunden habe, dass er sie mit einem solchen musikalischen Feinsinn und betörendstem melodischen Zauber ausstattete. Mittlerweile ist "Così fan tutte" als vielschichtiges Meisterwerk anerkannt und der Untertitel erschließt sich heute wie von selbst: Der ebenso komische wie bittere Abschied junger Neapolitaner von naiven romantischen Vorstellungen ist eine sehr realistische, sehr zeitgenössische "Schule der Liebenden". Speziell beim Text der abgeklärten Kammerzofe Despina fühlt man sich an "Sex and the City" erinnert. Così fan tutte: Sesso e la città.

Die inhaltlichen Qualitäten des Stückes kommen in der völlig zu Recht umjubelten Produktion der Wiener Festwochen ganz besonders zur Geltung. Regisseur Patrice Chéreau hat die Geschichte über den unfreiwilligen Partnertausch als improvisierte Aufführung auf der Bühne irgendeines italienischen Theaters angelegt, in Kostümen, aber ohne Bühnenbild. Diese Reduktion auf das Wesentliche und Chéreaus grandiose Personenführung ermöglichen es den exzellenten Sängern, die amouröse Lehrstunde ungemein lebendig und lebensnah auf dem Punkt zu bringen.

Einmal mehr glänzt die großartige Elina GarancÇa (Dorabella) als Mozart-Sängerin im Theater an der Wien, ihr Partner Stéphane Degout (Guglielmo) steht ihr in nichts nach. Glänzend besetzt auch das erste Paar: Mit tenoralem Schmelz höchster Güte wartet Shawn Mathey als Ferrando auf. Erin Wall als Fiordiligi gibt mit feinen Nuancen und bewegendem Ausdruck Einblick in eine Seele, die zwischen zwei Menschen zerrissen ist, welche sie zugleich liebt und begehrt. Fiordiligis Achterbahnfahrt der Gefühle findet auch auch in den ekstatischen Zuckungen der Holzbläser Niederschlag, ein Echo nicht in Worte zu fassender, brodelnder Gefühlswallungen. Doch nicht nur in den großen Arien läuft das Mahler Chamber Orchestra zur Höchstform auf, über die ganze Oper hinweg trifft Dirigent Daniel Harding Takt für Takt den richtigen Ton. In den innigen, lyrischen Momenten ebenso wie an den Stellen, wo Don Alfonso (Ruggero Raimondi) und Despina (Marie McLaughlin) mit viel Witz darauf hinweisen, worum es bei all den Liebesschwüren, Tändeleien und Verheißungen letztlich geht: um Sesso, in Neapel oder anderswo.

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