Sloweniens Goethe

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Slowenien begeht heuer den 200. Geburtstag seines Nationaldichters France Preseren.

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Slowenien begeht heuer den 200. Geburtstag seines Nationaldichters France Preseren.

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Als France Preseren vor 200 Jahren geboren wurde, gab es weder einen slowenischen Staat noch eine slowenische Literatur. Doch schon seit langem wird sein Todestag am 8. Februar als slowenischer Nationalfeiertag begangen, und sein immer schon populäres "Trinklied" bildet den Text der Nationalhymne des jungen Staates.

Im Jahr 1800 lebten die Slowenen in den k. k. Kronländern Krain und Görz, in der Steiermark und in Kärnten. Laibach hatte damals eine Mehrheit von slowenischen Bewohnern, doch die Kultur war deutsch dominiert. Preseren wurde im Dorf Vrba in Krain in eine streng katholische Familie geboren. Sein Bruder war Priester in Kärnten, erregte aber durch seine Neigung zum Alkohol immer wieder Anstoß. Auch France Preseren sollte Priester werden und besuchte das Gymnasium in Laibach, entschloß sich aber gegen den geistlichen Stand.

Am Laibacher Lyceum (die Stadt bekam erst nach 1918 eine Universität) studierte er Philosophie und setzte ab 1821 das Studium in Wien fort. Seine finanzielle Lage war schwierig, denn von seinen Eltern kam kaum Hilfe. So wurde er Erzieher am "Klinkowströmschen Institut" im achten Wiener Bezirk. Dort freundete er sich mit seinem Schüler Anton Graf Auersperg an, der später unter dem Namen Anastasius Grün als Dichter bekannt wurde und slowenische Gedichte ins Deutsche übersetzte.

In diesem Institut wurde deutlich, daß Preseren nicht dem klerikalen Teil der Slowenen angehörte. Er war ein Freigeist mit liberalen Ideen. Das führte zu seiner Entlassung, weil er nach Meinung seiner Vorgesetzten den Zöglingen ungeeignete Literatur gab und selbst nicht zu den Sakramenten ging.

Als Preseren 1828 zum Dr. jur. promovierte, hatte er schon eine Reihe von Gedichten verfaßt, doch stand man in einflußreichen deutschsprachigen Kreisen der Slowenischen Sprache verständnislos gegenüber: Sie eigne sich nur für religiöse Werke und Gebetbücher. Doch man denke an Bischof Slomsek, der mit Erbauungsliteratur Bausteine der slowenischen Schriftsprache schuf.(siehe Furche 37/99) Zu Lebzeiten erfolglos Als Preseren sein Studium beendete, war Klagenfurt zwar ein Zentrum slowenischer Kultur, wichtige Positionen waren aber von Österreichern mit deutscher Muttersprache besetzt. Preseren bewarb sich um eine Anstellung beim Steueramt in Klagenfurt, wurde aber nicht eingestellt. Nun trat er zur Rechtsanwaltsprüfung an, bei der es zu einem heftigen Streit mit seinem Prüfer kam, da er auch Argumente für den Angeklagten einsetzte. Der Prüfer wollte Preseren durchfallen lassen, doch wurde das Examen doch noch mit "genügend" benotet. Es gelang Preseren sein Leben lang nicht, sich eine gesicherte Position aufzubauen.

Er blieb auch unverheiratet, obwohl er sich einmal heftig, doch unglücklich verliebt hatte. In seinen letzten Jahren lebte er als Rechtsanwalt in Krainburg, wo er bei seinem Tod drei Kinder in größter Armut hinterließ. So erfolglos sein bürgerliches Leben war, so groß war seine Bedeutung für die slowenische Sprache und Literatur. Er vollendete, was andere vor ihm begonnen hatten.

Anton Slomsek, mit dem Preseren von Laibach her befreundet war, wollte in Klagenfurt zukünftige Priester lehren, in slowenischer Sprache zu predigen. Er war wiederum mit Urban Jarnik befreundet, einem Pfarrer, Dichter und Slawisten in Moosburg. Dieser hatte mit seinem Gedicht "Na Slovence" dazu beigetragen, daß die Kärntner Slowenen nicht mehr als "Windische" bezeichnet wurden. Er versuchte auch, die Etymologie der slowenischen Sprache aufzuklären, hatte aber kein einziges geeignetes Buch zur Verfügung. Preseren kannte Jarnik, schätzte aber dessen Gedichte höher ein als dessen etymologische Theorien. Er war überzeugt, man könne seiner Muttersprache nur mit Gedichten und Prosa von hoher Qualität helfen. Gegen Ende seines Lebens ließ er sein Hauptwerk, den Gedichtband "Poezije" auf eigene Kosten drucken.

Von den 1.050 Exemplaren waren bei seinem Tod nur etwa 300 verkauft. Seine poetische Sprache war zu neu, zu revolutionär, um sofort breite Anerkennung zu finden. Diese kam posthum mit einer positiven Kritik des Pfarrers Vinzenz Rizzi.

Preserens Gedichte sind Weltliteratur, vergleichbar mit den Werken der großen europäischen Dichter. Mit ihnen erreichte das Slowenische eine Kraft und Geschmeidigkeit, die es nie zuvor gehabt hatte. Es wurde aus einem Volksidiom zur Hochsprache.

Warum ist Preserens Werk außer bei den Slowenen nicht so bekannt, wie es seiner Bedeutung entsprechen würde? Die Slowenen sind ein kleines Volk, und vielleicht traut man kleinen Völkern nichts Großes zu.

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