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Der spanische Paladi

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Der letzte Akt der mit der Regierungsumbildung vom Oktober eingeleiteten Wachablösung hat sich kürzlich in Spanien abgespielt: Auf Vorschlag des Rates des Königreichs ernannte Staatschef Franco den bisherigen Nationalrat und Altfalangisten Alejandro Rodrigues de Val- cärcel zum neuen Parlamentspräsidenten. Schon eine Woche vorher kursierte sein Name an der Madrider politischen GerüchtebörSe als Nachfolger des vier Jahre lang dieses Amt bekleidenden Antonio Itur- mendi, des letzten Vertreters des Traditionalismus im derzeitigen Regime. Auf eigenen Wunsch und aus Gesundheitsgründen, so hieß es in der entsprechenden Mitteilung im Staatsanzeiger, hatte er seinen Rücktritt eingereicht.

Alle zufriedengestellt

Mit Rodrigues de Valcärcel wurde eine Wahl getroffen, die nicht nur von der ausrangierten Falange, sondern von allen politischen Strömungen des Landes, einschließlich der in der letzten Zeit sehr kritisch und angriffslustig gestimmten Christdemokraten um die katholische Tageszeitung „YA“, die sogenannten „katholischen Propagan disten“, begrüßt wird. Obzwar Altfalangist, der bereits mit 25 Jahren Parlamentsahgeordneter wurde und in dein letzten vier Jahren stellvertretender Generalsekretär der Einheitsbewegung war, steht er in dem Ruf eines Gemäßigten. Wahrscheinlich war dies ausschlaggebend für seine Ernennung, denn von ihm wird erwartet, daß er als Dämpfer auf den Extremismus wirkt, der selbst — oder gerade — einer homogenen Regierung Unannehmlichkeiten bereiten kann. Besonders wenn er von rechts kommt.

Es gibt nämlich untrügliche Zeichen dafür, daß ein nicht unbedeutender Teil der Falange, vor allem die Angehörigen des radikalen „Circulo Doctrinal Jose Antonio", der in mehreren Städten funktioniert und dessen Ziel in der Durchführung der ursprünglichen Doktrinen der Falange besteht, sich mit ihrer Ausschaltung nicht abfinden will und der neuen Regierung verbittert und grollend gegenübersteht.

Ein Schuß nach dem Hochamt

Francisco Herranz, 55 Jahre alt, Begründer der Falange in Avila und ehemaliger „oberster Stellvertreter“ der Guardia de Franco, der aus

Altfalangisten zusammengesetzten Leibwache des Staatschefs, erschoß sich nach dem Hochamt im Vorgarten der im Madrider Zentrum gelegenen und von der Falange für ihre Gottesdienste benutzten Kirche der heiligen Barbara. In einer vor der Kirche einberufenen Versammlung hatte er direkt vor seiner Tat erklärt, daß er die Lage der Falange und den an ihr begangenen Verrat nicht mehr ertragen könne. Ähnliche Erklärungen hinterließ er in einem Brief.

Erst drei Tage nach dem aufsehenerregenden und von dem Großteil der spanischen Presse mit äußerster Diskretion behandelten Selbstmord legte sich die in Madrid greifbar zu spürende Unruhe und Besorgnis. Es lag nahe, daß die Falangisten in Herranz eine Art spanischen Palach, einen Märtyrer aus Protest, sehen und sich zu unkontrollierbaren Reaktionen hätten hinreißen lassen können. Jedoch, es geschah nichts dergleichen. Wahrscheinlich hatte die Ernennung des Altfalangisten Rodri- guez de Valcärcel, die tags nach dem Tode Herranz’ und angeblich einen Tag früher als ursprünglich vorgė- sehen bekanntgegeben wurde, als Beruhigungspille auf die erregten Falangisten gewirkt

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