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WILHELM RÖPKE / IM MITTELPUNKT DIE FREIHEIT

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Wilhelm Röpke — in der Nacht zum 12. Februar 1966 in Genf gestorben — zählte zu den wenigen Männern der Geistes-und Gesellschaftswissenschaften, die den Lauf der Geschichte be-einflussen konnten, indem sie den an den Hebeln der politischen Macht Stehenden Richtlinien und Maßstäbe für die Gestaltung der Gegenwart lieferten. 1899 in Schwarmstedt bei Hannover ge-boren, war Röpke bereits mit 24 Jahren Dozent für politische ökonomie in Marburg, ein Jahr später Extraordinarius in Jena. 1926/27 wurde der junge Nationalökonom als Gastprofessor in den USA mit der Wirtschafts-und Sozialstruktur des wirt-schaftlich starksten Landes der Welt konfrontiert, in einer Zeit, als nichts der absoluten Giiltigkeit des Laissez-faire-Kapitalismus zu widersprechen schien. 1933, Ordi-narius in Marburg, wurde der er-klärte Todfeind jedes Totalitaris-mus in die Emigration getrieben. Nach einer Zwischenstation an der Universität Istanbul erhielt Röpke eine Professur am „Insti-tut des Hautes Etudes Internationales” in Genf, wo er bis zu seinem Tod lehrte.

Röpke war nie der Typ des Stubengelehrten, der in einem elfenbeinernen Turm permanen-ter inner er Emigration abstrakte gesellschaftswissenschaft-liche Modelle entwirft und unbe-eindruckt davon bleibt, ob seine Konstruktionen von der Wirk-lichkeit verifiziert werden. Er befand sich in einer ständigen Auseinandersetzung, in einem ununterbrochenen Dialog mit der gesellschaftlichen Wirklichkeit, der er seine strengen Maß-stäbe aufzwingen wollte. Mit Mises ,Hayek, Eucken und Haber-ler war Röpke einer der Haupt-vertreter des Ukonomischen Neoliberalismus. Seine Ausgangs-position war die Überzeugung, daß nur die wirtschaftliChe Freiheit auch die politische garan-tiere, daß nur die bkbnomische Ungebundenheit auch der Men-schenwiirde des einzelneri gerecht werde. Die Würde des Individuums werde bedroht von den Totalitarismen jeglicher Prdgung, die — wie Röpke schrieb — „die Auslöschung des Menschen als einer moralischen Person, seine Unterwerfung unter die Staats-allmacht” zum Ziel haben.

Mit seiner Ablehnung jedes staatlichen Eingriffes in die Pro-duktion und die Einkommensver-teilung, jedoch verbunden mit einer Bejahung systemkonformer Interventionen, die Störungen des Marktmechanismus beheben sol-len, wurde Röpke von Politikem, die eine freie Marktwirtschaft ohne die Ideologic des ausgelaug-ten Altliberalismus anstrebten, immer wieder als wissenschaft-licher Berater herangezogen. Bruning suchte Röpkes Rat ebenso wie später Adenauer, in dessen Auftrag er 1950 die deutsche Wirtschaft analysierte. Gemein-sam mit Erhard und Milller-Ar-mack bewirkte Röpke entschei-dend die Hinwendung der west-deutschen Wirtschaftspolitik zur neoliberalen sozialen Marktwirtschaft.

In seinen Werken („Civitas humana”, „Die deutsche Frage”, „Jenseits von Angebot und Nach-frage” u. a.) beschäftigte er sich eingehend mit den Zusammen-hängen von Politik. und Wirtschaft, wodurch er Uber den Bereich der Nationalökonomie als Fachwissenschaft hinaus weit in das Gebiet kritischer Sozialphilo-sophie vorstieß. Röpkè sah seine Aufgabe immer als die eines Rufers in der Wilste, der jede Konzession an die Verfechter von Dirigismus und Planung als Konzession an den Totalitarismus und damit als Gefahrdung unserer Zivilisation anzuprangern hätte.

Die Wurzeln totalitärer Ten-denzen glaubte Röpke letzten En-des in einem moralischen V erf all zu finden, in einer aus leichtsin-niger Bequemlichkeit vorgenom-menen Abwertung des Begriffes der Freiheit. Der Vertreter einer oft wertfrei sein wollenden Wis-senschaft erwies ich somit in letzter Konsequenz als Moralist.

Heute mag uns, die wir ge-wöhnt sind, im Zeichen der New-Welfare-Economics und des Kon-kurrenzsozialismus von einer Ab-schleifung der ideologischen Gegens’dtze gerade im sozial-öko-nomischen Bereich zu sprechen, Röpkes ideologische Unbedingt-heit etwas fremd vorkommen. Auch überzeugt, wie schon Kel-sen ausgeführt hat, die grund-sätzliche Gleichsetzung von Kapi-talismus und Demokratie wenig. Das heraufdämmernde Zeitalter der Programmierer, der Techno-kraten, der ideologiefreien Bau-meister einer nüchternen Zu-kunft scheint nur wenig vom lei.— denschaftlichen Bekenntnis eines Mannens wie Röpke übernommen zu haben, für den alles, was er unter Totalitarismus verstand, die „Herrschaft der vollendeten Gott-losigkeit” war. Aber der Kern von Röpkes Lebenswerk hat jenseits der Ideologien seine Bedeutung: Die Freiheit und Würde des Menschen.

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