Zu viel Aktion, zu wenig Emotion

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Die Salzburger Festspiele präsentierten eine sehr kühle, psychologisch zu verstehende Produktion von Mozarts "Idomeneo".

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Die Salzburger Festspiele präsentierten eine sehr kühle, psychologisch zu verstehende Produktion von Mozarts "Idomeneo".

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Das Drama entsteht aus hin- und herflutenden Lichtwechseln des Gemüts, nicht aus Verfestigung zu Charakteren. So kennt es keinen Widerstand gegen das Schicksal, nur Mut und Tat drosselnde Betrübnis, ein Zagen nach dem erlittenen Schrecken, das schon des nächsten Schreckens harrt."

Diese Anmerkungen Ivan Nagels über "Autonomie und Gnade" in Mozarts Oper scheinen Ursel und Karl-Ernst Herrmann bei der Inszenierung von Mozarts "Idomeneo" inspiriert zu haben: keine Gemütsregung auf der Bühne, kein Grollen Neptuns, kein Eifersüchtchen, das nicht mit Licht Entsprechung fände. Es ist natürlich nicht mehr eine der "schönsten Sagen des klassischen Altertums", die da gespielt und gesungen wird, sondern eine über die Seria hinausgreifende Komposition, in der Mozart erstmals seine große Freiheit auskomponiert.

So gesehen ist das Regiekonzept als ewige Wiederkehr der Archetypen - ein Gott erzwingt ein Opfer, bei dem jemand aus der Verwandtschaft zu Tode kommen soll - als psychologisch verstandene und zu verstehende Aufführung aufgegangen. Ursache ist in dieser Oper das leichtfertige Gelübde des Idomeneo im Sturm vor Kreta, wenn er das Unwetter überleben sollte, Neptun des erste Wesen zu opfern, das ihm begegne. Unglücklicherweise war das sein Sohn Idamantes, und ein Schicksalsdrama nimmt seinen Lauf. Einer soll für einen anderen sühnen, obwohl auf ihn selbst kein Schatten einer Schuld gefallen ist. Ilia besänftigt schließlich den wütenden Meeresgott durch ihr angebotenes Stellvertreter-Opfer, so dass der Pensionierung Idomeneos - mit Stock und Strohhut - nichts mehr im Wege steht.

Bis dahin ist es weit. In dieser zweiten (was bei Festspielen nichts bedeuten darf) Aufführung der Oper lag etwas merkwürdig Kühles über der Szene, weniger vom Spiel, mehr von der Musik her; die Salzburger Camerata Academica musizierte unter Michael Gielen, der sich vor allem die sorgfältige Führung der Ilia angelegen sein ließ, mag sein, dass der Laufsteg rund um den Orchestergraben eine Rolle spielt, aber es scheint eher die Spur zu viel Aktion und von Musik und Gesang her die Spur zu wenig Emotion, die diese Kühle merkbar machen.

Dennoch hat man mit diesem "Idomeneo" eine Mozart-Oper in dieser Festspielzeit, die sich in die verschiedenen Krieg-Frieden-Schuld-Sühne-Aufführungen höchst achtbar einfügt. Zu danken ist dies den Solisten, wobei Dorothea Röschmanns Ilia am meisten Unterstützung fand. Vesselina Kasarova überzeugte als Idamante mit Virtuosistät und Kraft, vor allem in den Passagen, in denen sie den Vater zur Opferhandlung überzeugt. (Warum ein Wohnzimmer-Sessel als Opferblock dienen soll, weiß wohl nur Karl-Ernst Herrmann als Co-Regisseur und Bühnen- und Kostümbildner). Der Idomeneo von Jerry Hadley zeigte im Spiel jene die "Tat drosselnde Betrübnis", die im Gesang eher zu vermissen war. Die Elettra von Lubica Orgonasova schließt an gute Mozart-Tradition an, die auch bei Matthias Klink als Arbaca vorhanden scheint, beide boten souveräne Leistungen in ihren großen Arien. Bleibt noch der Salzburger Bach-Chor zu erwähnen, der Kretas Gestade mit seiner Chorkunst erfüllte.

Der Applaus hielt sich in Grenzen.

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