Zwischen Abstraktheit und Realismus

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Wie Alberto Giacometti zu seinen charakteristischen, hoch gehandelten Skulpturen fand, zeigt eine Ausstellung im Leopold Museum. Dabei stellt die Schau Giacometti auch in den Kontext seiner Zeit und zeigt Werke befreundeter Künstler.

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Wie Alberto Giacometti zu seinen charakteristischen, hoch gehandelten Skulpturen fand, zeigt eine Ausstellung im Leopold Museum. Dabei stellt die Schau Giacometti auch in den Kontext seiner Zeit und zeigt Werke befreundeter Künstler.

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Sie begrüßen den Besucher gleich zu Beginn der Schau: Giacomettis typische, ausgemergelte Figuren mit schroffen, unruhigen Oberflächen, die nicht abstrakt, aber auch nicht realistisch sind, ja, die gleichsam eine neue Qualität der Skulptur hervorbrachten. In der Ausstellung im Leopold Museum wird das Metallische noch mehr akzentuiert, da die Skulpturen, die zu Wegbereitern der Moderne wurden, von bronzefarbenen Wänden umgeben sind und quasi weiße Schatten an die Wände werfen. "Diese Art der Präsentation hat viel Aufsehen erregt und war mutig von uns", sagt der interimistische Direktor des Leopold Museums, Franz Smola, im Gespräch mit der FURCHE. "Diese Figuren brauchen Raum, sie schaffen eine irrsinnige Spannung und eine Aura - und sie wollen inszeniert werden, damit sie ihr Geheimnis preisgeben." So eröffnen drei große Frauenfiguren und ein "Schreitender" die Ausstellung, die in der Folge aufzeigen möchte, wie Giacomettis Kunst sich von seinen Anfängen weg entwickelte und wie er schließlich zu eben diesen charakteristischen Werken fand.

Nach dem atmosphärischen Einstieg geht die Schau im Leopold Museum, die mit zahlreichen Leihgaben des Kunsthauses Zürich und der Alberto-Giacometti-Stiftung arbeitet, chronologisch vor. Man kann erste plastische Werke sowie Zeichnungen aus jener Zeit sehen, in der Giacometti sich nicht sicher war, ob er Maler oder Bildhauer werden sollte. Schon früh war er auf der Suche nach originellen Lösungen. Er versuchte sich am Kubismus - gemeinsam mit Giacomettis Arbeiten sind solche ausgestellt, die zeitgleich entstanden. 1929 kam der Durchbruch und die Verbindung mit den Surrealisten, die ihn wegen seiner stark reduzierten Arbeitsweise einluden, beizutreten. Auch von den Kollegen in André Bretons Gruppe sind hier Werke zu sehen. Doch es kam zum Bruch, da Giacometti weiterhin auch realistisch arbeitete, was die Surrealisten nicht gerne sahen. Das Ende der Zusammenarbeit führte Giacometti in seine große, zwölf Jahre dauernde Schaffenskrise.

Eine ungewöhnliche Persönlichkeit

In der Folge sind für die Entwicklung des Künstlers wichtige kleine Figuren ausgestellt, man kann sehen, wie die Oberfläche schon früh dynamisch und reduziert wurde. Die Ausstellung wartet auch immer wieder mit Zeichnungen Giacomettis auf, diese sind aber mehr als Entwürfe für Skulpturen denn um ihrer selbst willen interessant.

"Sie zeigen, wie sein Reduktionsprozess vor sich ging und wie fein, fast spinnwebenhaft er die Figuren sah", sagt Smola. Zudem möchte die Schau Giacometti in den Kontext seiner Zeit stellen, man zeigt auch Werke von Künstlern, mit denen er befreundet war und die mit ihm gemeinsam ausstellten, darunter Bacon, Twombly und Pollock.

Giacomettis Arbeitsweise ist ebenso Thema der Ausstellung: "Er hat nie auf ein Resultat hingearbeitet, es war immer ein Prozess. Wenn ihm sein Bruder Diego, der die Abgüsse machte, die Dinge nicht entrissen hätte, wären sie nie fertig geworden", beschreibt Smola. "Was er machte, war nicht abstrakt, aber kühn reduziert - die Bedeutung bleibt offen, ja nicht einmal er selbst konnte begründen, warum seine Figuren aussahen, wie sie aussahen." In Fotografien kann man erkennen, wie Giacometti in einem ganz einfachen Atelier arbeitete, das er selbst wiederum in seinen Gemälden als dunkle Höhle darstellte. Und man merkt, wie er sich, wenn ein Fotograf in sein Atelier kam, gerne inszenierte: "Giacometti hat bestimmt, wie er gesehen werden wollte. Er wollte nicht heroisiert werden, es sollte kein Kult um ihn gemacht werden -aber es wird klar: er war eine ungewöhnliche Persönlichkeit."

Pionier der Moderne

Dass das Leopold Museum sich des Pioniers der Moderne, der zu den bedeutendsten Bildhauern des 20. Jahrhunderts zählt und dessen Arbeiten auf dem Kunstmarkt Rekordpreise erzielen, angenommen hat, liegt daran, dass man dem Kunsthaus Zürich zahlreiche Schiele-Werke geliehen hat. "Ja, es ist eine ungewöhnliche Ausstellung für uns", sagt Smola, "aber es war eine Möglichkeit, die wir hatten und nutzen wollten". Am Ende steht man wieder im Anfangsraum mit den beeindruckenden Figuren mit schlankem Körperbau und umso stärkerer Ausstrahlung - und versteht besser, wie Giacometti zu diesen kam.

Alberto Giacometti - Pionier der Moderne

Leopold Museum, bis 26. Jänner täglich außer Dienstag 10-18, Donnerstag bis 21 Uhr

www.leopoldmuseum.org

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