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Lob der Bürokratie
Zurückgekehrt von einer längeren Reise durch Europas Metropolen heißt mich ein strahlend blauer Himmel und ein leuchtendes Wien willkommen. Wie schön das Nach-Hause-Kommen ist, in der Nase noch den Gerach der Pariser Metro, die trostlosen, verkommenen Claphams, Argenteuils et cetera vor dem inneren Auge! In unzähligen ßüchern und Aufsätzen wird die Schönheit Wiens gepriesen, in nicht wenigen auch über Provinzialismus, geistige Enge, über grantige Rewohner und ein alles beherrschendes Reamtentum geklagt.
Doch es wird viel zu wenig anerkannt und kann nicht oft genug gesagt werden: Wenn Wien eine der am besten verwalteten Millionenstädte der Welt ist, worüber alle Vielgereisten einig sind, dankt sie das weder dem Wienerwald, noch dem Heurigen, ja nicht einmal dem kulinarischen Erbe des alten Viel-völkerreiches, auch nicht den imponierenden Sozialdenkmälern der Ersten Republik, den Volkswohn bauten, Schulen, Bädern und so fort.
Wenn das öffentliche Verkehrswesen funktioniert, wenn blumengeschmückte Parkanlagen zum Verweilen locken, wenn Straßenreinigung groß geschrieben wird, wenn besonders in den letzten Jahren eine menschen- und naturfreundlichere Baugesinnung über Emmentalerstil und Großfeldwüsteneien triumphierten, dann sind auch Bürokraten dafür zuständig. Dazuzurechnen sind natürlich die motorisierten Müllkutscher und Straßenkehrer, die Straßenbahn- und Busfahrer/innen, die Kanalräumer und Feuerwehrleute. Und die Schreibtischtäter: Bürokraten im engeren Sinn, die das Ganze planen und steuern, durch tausend Hindernisse und Vorschriften, von Vorgängern ausgeheckt, lavieren. Ohne sie würde das Ganze im Chaos versinken. ”sv T icht, daß mir kein an Verbrechen grenzender Stumpfsinn -L 1 - aus blindem Geschäftssinn geboren - einfiele: Parkgaragen bis ins Stadtzentrum, Biesenreiseauto-•busse in der Innenstadt als Stauerzeuger, Golfplätze im Naherholungsgebiet breiter Bevölkerungsschichten (etwa am Wienerberg, ein richtiger Skandal!), Hochhäuser für Wohnungen, das Familien- und Kinderfeindlichste, wie man seit Jahrzehnten weiß.
Daß man den Gürtel nur mit EU-Geldspritzen sanieren kann oder will, ist ein Schandfleck für die Stadt. Seit Jahrzehnten besteht die Notwendigkeit dafür. Das Sterben der Nahversorgung und der Bau neuer Supermärkte am Stadtrand, all das sind Fehlentwicklungen, die sich Wien ersparen könnte, wenn es eine Langzeitperspektive gäbe; grandverschieden von der gefürchteten Konkurrenz von Prag, Budapest und anderen Metropolen. Zum Glück ist manche Schnapsidee am Widerstand der Bevölkerung gescheitert. Leider nicht das Donaukraftwerk Freudenau, das jetzt der Generaldirektor der Verbundgesellschaft nicht mehr bauen würde: der Strom wird erstens nicht gebraucht und kommt zweitens zu teuer.
Trotz dieser Ärgernisse: Nie mehr möchte ich woanders leben müssen, als in Wien.
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