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Vom Geheimnis des Schöpferischen

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Von den schon toten Dichterpersönlichkeiten dieses Jahrhunderts hat kaum eine eine so hingebende Betreuung ihres Nachlasses und ihres Fortwirkens gefunden wie Enrica von Handel-Mazzetti durch den Wiener und nun schon seit langem Wahlheimat- Linzer Dr. Kurt Vancsa. Diesem Amhebelsitzen, dem emsigen Suchen, Forschen und Deuten in den zum Teil noch ungehobenen Schätzen des 1956 eröffneten Handel-Mazzetti-Archivs der Bundesstaat- r liehen Stjadienbibliothek Linz ist auch die Neuaus- gabe.. einys_sonderbareri. Dokumentes zu danken„ das zu den seltensten und kostbarsten dichterischen Selbstzeugnissen der Weltliteratur zählt: Enrica von Handel-Mazzetti: „… und nie geschah mir das.“ Die Einleitung zum Romanfragment „Günthers Tod“. Bearbeitet und herausgegeben von Kurt Vancsa. Verlag Styria, Graz- Wien-Köln, 235 Seiten, 5 Bilder, 42.50 S. Diese „Einleitung“, von Vancsa mit gutem Recht „Bericht“ genannt, ist erstmals 1928 gedruckt worden und seither auch von anderen, Rudolf Henz, Moriz Enzinger und Paula v. Preradovič, in seiner lebens- und werkgeschichtlichen Bedeutung erkannt worden. Vancsas weit ausholendes Vorwort (S. 9 bis 40) faßt sie zusammen und bereichert die bisherigen Erkenntnisse durch überraschende neue Archivfunde und ihre Deutung. Der „Bericht“ der Dichterin stammt aus dem Jahre 1921, da sich die Dichterin in dem ihr sehr lieb gewordenen Maria-Taferl zum zweiten Rita-Roman anschickt. Und hier eben „geschah es“, zum Teil unter mystisch-magischen Umständen (die vielleicht die nachfolgende Krankheit miterklärt), daß sich über einen Stoff ein anderer darüberdrängte, Tiber diesen wieder ein anderer, und aus dem Zu sammenfließen, Abklären und Reifen aller können wir heute Ritas Vermächtnis, die Sandtrilogie, das Günther-Fragment, ja sogar noch die Frau-Maria- Trilogie ableiten und datieren. Der „Bericht“ der Dichterin darüber ist lebhaft, farbig, ja erregend und gewährt Einblick in zwei SchafJensperioden der Handel-Mazzetti (1915 bis 1928, 1929 bis 1934), mehr noch: in die vielschichtige, in allen Sinnen des Wortes ringende Seele des Schöpferischen schleght- weg. Die Neuausgabe dieses Dokumentes ist ein löbliches Verdienst.

Wir haben nur von wenigen Dichterpersönlichkeiten so umfangreiche und bedeutende Selbstdarstellungen ihrer Kindheit und Jugendzeit, wie von der schwedischen Dichterin und Nobelpreisträgerin Selma Lagerlöf. Sie datieren 1922 bis 1932, sind also, drei bis vier Jahrzehnte nach dem Welterfolg des „Gösta Berling", von der Sechzig- bis Siebzigjährigen geschrieben bzw. redigiert. Ihre Neuausgabe durch die Nymphenburger Verlagsbuchhandlung (Selma Lagerlöf: Marbacka. Das Tagebuch der Selma Ottilia Lovisa Lagerlöf. Aus meinen Kindertagen. Drei Bände im Schiebekarton) ist deswegen so aufschlußreich, weil sich hier frühe Beobachtungen und Ahnungen glücklichst mit später Weisheit mischen. Durch den frühen Reigen blutvoller Menschen scheinen die Gestalten literarischer Helden aus späteren Erzählungen und Legenden, aber auch jener unverwüstliche christliche Glaube an den letztlichen Sieg des Guten, durch den das Werk der großen Schwedin in die Literatur eingegangen ist.

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