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Von Hunden, Soldaten und Schauspielern

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„Mag auch die Zeit ihrem Werk nicht günstig sein, wie die gegenwärtige kleine Schar der Getreuen zu bezeugen scheint — sie war ja d.ich eine literarische Macht und ihr Werk ein hohes Lied der Liebe, was man nicht vergessen sollte.“ Diese Worte stammen aus einem Brief des unermüdlichen Sachwalters des literarischen Erbes der Handel-Mazzetti, Dr. Kurt V a n c s a, mit dem er die von ihm besorgte und eingeleitete neue Auswahl: „Enrica v. Hände 1-Mazzetti: Ein groß Ding ist die Liebe“ (Stiasny-Verlag, Graz und Wien, 128 Seiten) dem Rezensenten übermittelte. Vancsas „Einleitung“ ist 20 Seiten stark; ihre Fachkundigkeit und Ausführlichkeit machte jeder Literaturgeschichte Ehre. Die Auswahl erfaßt charakteristische, klug gewählte Ausschnitte aus Helmperger, Margaret, Jesse und Maria, Schwertner, Frau Maria, Die Heimat meiner Kunst, und schließt mit Briefen aus 1935 bis 1940, dem Schlußwort zur „Renate“ und drei Lyrikproben. Eine Lebenstafel und Bibliographie (Das Werk — Die Literatur) bilden den willkommenen Anhang. Das Büchlein stammt, als Band 25, aus einer Reihe österreichischer Dichtung aus acht Jahrhunderten (Stiasny-Bücherei, „Das österreichische Wort“) und hat dort seinen besonderen Sinn und Platz. Möge sein Wort — das der Dichterin und das bewegte, aufrüttelnde des Herausgebers — gehört werden I

Im Herbst 1956 erschien in Ungarn Tibor Derys „Niki — Oder die Geschichte eines Hundes“ (deutsch jetzt im S.-Fischer-Verlag, 1958, 145 Seiten). Das Buch hat, wie sein Autor, sein Schicksal. Der Hund Niki, mit fast magischer Liebe an das Leben des kommunistischen Ehepaares Ancsa gekettet, teilt mit ihm den trügerischen Lebensaufschwung und die schmerzliche Ernüchterung, nicht so bewußt wie die Menschen, eher staunend und zuletzt stumpf: als der Herr nach langem, langem grundlosem Verschwinden wiederkehrt, verendet das fTier eben, und man(weiß nicht„ iworan, man weißj si, Prnicnt WBF woran Sie verdämmern und verderben. Das kleine Meisterstück ist in jenen Monaten entstanden, als den Dichtern und Denkern des Petöfi-Kreises das Tor in die Freiheit aufzubrechen schien; es ist mit erstaunlichem Freimut geschrieben. Wir bewahren es als Dokument einer tapferen Gesinnung: sein 63jähriger Autor, im April 1957 verhaftet, büßt dafür derzeit im Gefängnis.

Auch gänzlich Andersartiges hat das ungarische Drama zu uns geschwemmt. Tessa Tüköryis „V e r-liebter Sommer“ (Roman. Paul-Zsolnay-Ver-lag, Hamburg-Wien 1958, 195 Seiten) ist von solcher Oberflächlichkeit, Verspieltheit und Banalität, daß man sich fragen muß, wie solche Sachen nur zum Druck kommen. ,

Das hohe Lob, das Graham Greene und andere dem Werk der amerikanischen Schriftstellerin Carson McCullers gezollt haben, wird .aus dem vorliegenden Roman „Der Solda't und die Lady“ (Henry-Goverts-Verlag, Stuttgart, 147 Seiten, 10.80 DM) nur zum Teil verständlich. Eine dumpfe Hoffnungslosigkeit liegt über dieser Garnisonsgeschichte, in der die Menschen aneinander vorbeireden und vorbeileben — oder mit fast unnatürlicher Grausamkeit einander zerstören.

Im gleichen Stuttgarter Verlag erscheint Allen Churchill: „Der Zündholzkönig — Ivar Kreugers unglaubwürdiges Leben“, ein Pamphlet von erschreckender Abgründigkeit. Es stützt sich auf eine Menge glaubwürdiger Quellen, ist aber mit einem so dämonischen Haß aufgeladen, daß die Authentizität darunter leidet. Man wird den Verdacht nicht los, daß Amerika noch heute die Düpierung der bis dahin unfehlbaren Wallstreet-Bonzen nicht vergessen und verziehen hat.

Werner Krauß: „Das Schauspiel meines Lebens“ (Einem Freund erzählt. Herausgegeben von Hans W e i g e 1. Eingeleitet von Carl Zuckmayer. Mit 39 Abbildungen. Henry-Goverts-Verlag, Stuttgart. 260 Seiten. Preis 14.80 DM) ist, nach einigen gültigen Krauß-Biographien, vor allem ein Stilversuch: das Stenogramm (oder die Tonbandaufnahme?) eines autobiographischen Gesprächs mit Freunden; erfüllt mit einer Unmenge faszinierender persönlicher Erlebnisse, Begegnungen und Reflexionen

— und von einer geradezu unwahrscheinlichen sprachliche nftd geistigen Schlamperei.' Es: muteHTWie das beiläufig hingefetzte Selbstporträt elneY abstrakten Malers an. Da und dort stutzt man bei einem Strich, bei einem Schnörkel. Denn immerhin spricht

— pinselt — der größte lebende deutsche Schau-Spieler und Komödiant.

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