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Erstmals eine Frau ?

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Erst seit 1971 besitzen die Frauen in der Schweiz das Stimm- und Wahlrecht, das sie in mehreren Anläufen hart erstritten haben. Noch immer allerdings gibt es Kantone und Gemeinden, die den Frauen keine politische Mitsprache auf ihren Ebenen gewähren. Im 246köpfigen Bundesparlament sitzen bloß 25 Frauen.

Dieses — Ende Oktober neugewählte — Parlament (FURCHE Nr. 45/83) hat es nun in der Hand, bei der Ersatzwahl für den verstorbenen Bundesrat Willi Rit- schard ein Zeichen für den endgültigen Durchbruch zur Gleichberechtigung zu setzen und erstmals in der Geschichte der Eidgenossenschaft eine Frau in die oberste Landesbehörde zu wählen. Laut einer Meinungsumfrage würden 75 Prozent der Schweizer dies begrüßen.

Die sozialdemokratische Partei (SP) präsentiert nämlich, nach der recht knapp ausgefallenen internen Ausmarchung, mit Lilian Uchtenhagen eine Frau als offizielle Kandidatin für den freiwerdenden, der SP zustehenden Sitz. Bleibt abzuwarten, ob sich die 55jährige Volkswirtschaftlerin am 7. Dezember als erste Bundesrätin wird feiern lassen können.

Offizielle Kandidaten haben es nämlich gerade bei der SP nicht leicht. Das Vertrauen ihrer Partei nützt ihnen nicht viel, denn gewählt werden sie von der bürgerlichen Mehrheit des Bundesparlamentes.

Sicher gibt es im schweizerischen Parlament noch patriarchische Restanzen, die einer Frau aus Prinzip die Stimme nicht geben werden, auch wenn sie kaum offen dazu stehen. Dann sind aber auch teilweise geschlechtsspezifische persönliche Vorbehalte gegen Lilian Uchtenhagen zu hören, der überdimensionierter Ehrgeiz, Arroganz, mangelnde Um- gänglichkeit und geringe Belastbarkeit vorgeworfen werden.

Aber auch herkunftsmäßige Bedenken werden laut. Lilian Uchtenhagen wohnt im Kanton Zürich, den sie auch im Nationalrat vertritt. Es gibt eine verfassungsmäßige Bestimmung, wonach nicht zwei der sieben Bundesräte aus dem gleichen Kanton stammen dürfen, und der Zürcher Sitz ist mit Rudolf Friedrich schon besetzt.

Allerdings ist dies für Lilian Uchtenhagen kein Hinderungsgrund, denn sie hat einen Basler Bürgerbrief, der dem Wohnort vorgeht. Faktisch käme aber doch der Kanton Zürich zu einem zweiten Bundesratssitz.

Zudem ist es schon fast zur Ausnahme geworden, daß offizielle Parteikandidaten gewählt werden. Allerdings hat der schweizerische SP-Parteipräsident in einem Interview offen mit dem Auszug der Sozialdemokraten aus dem Bundesrat gedroht, wenn ein Kandidat gewählt wird, der innerparteilich keine Chancen hatte.

Das wäre dann das spektakuläre Ende der seit 1959 geltenden „Zauberformel“, wonach sich der Bundesrat aus zwei Freisinnigen (FDP), zwei Christlichdemokraten (CVP).zwei Sozialdemokraten (SF) und einem Vertreter der Schweizerischen Volkspartei (SVP) zusammensetzt.

Noch ein zweiter Sitz ist offen, denn der französischsprachige V orsteher des Mi- litärdepartementes Georges-Andre Chevallaz (FDP) hat ebenfalls seinen Rücktritt erklärt. Hier kann man als gegeben erachten, daß der Nachfolger aus Rücksicht auf die sprachliche Minorität wieder lateinischer Zunge sein wird. Im Vordergrund steht der Stadtpräsident von Lausanne, Jean-Pascal Delamu- raz, der Chevallaz schon in dieses Amt und in dasjenige als Nationalrat nachfolgte. Delamuraz wäre mit 47 Jahren mit Abstand der jüngste Bundesrat.

Gute Chancen hat aber auch der Genfer Robert Du- cret, und schließlich hoffen auch die italienischsprachigen Schweizer wieder einmal auf einen Bundesrat und haben mit Pier Felice Barchi einen versierten Parlamentarier im Feuer.

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