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Digital In Arbeit

Mann über Bord!

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Gerade im Urlaub kann man Managementqualitäten erlernen, die manch teures Führungsseminar ersparen. Auf diesen Praxisbezug ist noch kaum einer gekommen. Vielleicht, weil die Verbindung „Manager + Urlaub“ leicht obszön wirkt?

An dieser Stelle sei also einiges ergänzend zu den Managementhandbüchern bemerkt.

Nehmen wir am besten ein persönliches Beispiel: Bootsurlaub auf dem Shannon, eine Crew von sechs Leuten: Meine Herren, da wogt Gruppendynamik!

Stichwort „Entscheidungsfreudigkeit“: Im Käpt’nshandbuch war unter anderem verzeichnet, daß man immer ein scharfes Messer bereitliegen haben sollte, falls sich die Taue beim Auf- oder Abschleusen verheddern und man sich von selbigen schnell befreien müsse. Wir hielten uns alle für erfahrene Skipper und hatten uns schon einige Male über die Ungeschicklichkeit anderer Urlauber in den Schleusen mokiert.

Eines Mittags hatte ich gerade Küchendienst, und wir fuhren zum Abwärtsschleusen ein. An sich hatte jeder der anderen Besatzungsmitglieder sich um einen Poller zu bemühen. Na ja, auf einmal standen die Kartoffeln auf dem Herd so gefährlich schief, und ich hörte einen englisch-irisch scharfen Ruf „Knife!“.

Man wird’s nicht glauben, aber blitzschnell wußte ich, was das bedeutete, griff nach dem größten Brotmesser, raste an Deck und warf dem Schleusenwärter das Knife vor die Füße. Der kappte blitzschnell am hinteren rechten Ende das Tau, auf das nämlich keiner auf gepaßt hatte (nach dem Motto: Es wird sich schon einer drum kümmern), und das Boot platschte gewaltig aus dreiviertel Meter Höhe ins Wasser.

Diesmal traten den anderen Bootsinhabern die Augen über.

Ich aber meine, da sieht man wieder, was man daraus lernen kann — vor allem fürs Berufsleben: Habe immer ein Messer dabei und zögere nicht, es in Notsituationen zu gebrauchen!

Ein weiteres Beispiel dazu: Eines Tages überquerten wir einen der nicht ungefährlichen großen Loughs (Shannonseen) mit ganz schön ungemütlichem Seegang. Ich am Steuer, zweite Beifrau neben mir als Kartenleserin. Plötzlich Aufschrei der Mannsbilder vom Heck: Das Beiboot wurde von einer Welle unter Wasser gezogen und die beiden Ruder herausgespült.

Ich erhielt Anweisung, den Motor zu drosseln, während sich ein Mann schon die Schwimmweste anzog, vom anderen an der Leine gehalten, um die wegschwimmenden Ruder wieder einzufangen. Leider drifteten die Ruder immer weiter ins seichte Ufer jenseits der Fahrrinne. Ich besprach mich kurz mit Lotsin und fällte dann eine heroische Entscheidung:

Mensch vor Material! Gab Gas, daß es den mit der Schwimmweste nur so ins Boot warf und schrieb die Ruder ab.

Schließlich war’s das ja wohl nicht wert: Mann über Bord für zwei Ruder — die ja ohnehin gebraucht waren —, auch wenn ein Beiboot ohne Ruder nicht sehr sinnvoll ist.

Ich stehe noch heute zu dieser überlegten Entscheidung, auch wenn die Mannsbilder mit uns einen Tag lang kein Wort wechselten.

Schließlich habe ich an diesem Tag so richtig gelernt, was es heißt, als Autorität das Steuer in der Hand zu halten.

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