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Mit eigenen Augen…
Daß dem kommunistischen China die Vertretung seines Herrschaftsgebietes in der UNO zugesprochen wurde, ist richtig. Und somit ist auch richtig, daß somit das Recht der Kuomintang- Regierung von Formosa erlosch, Festland-China auf der UNO zu vertreten. Daß jedoch Formosa damit aus der UNO ausgestoßen wurde, ist ein schändliches Unrecht. Jedes Land, das eine eigene Regierung besitzt, ist berechtigt, in der UNO, die auf Universalität beruht, vertreten zu sein. Wenn ein Staat gespalten ist und die in beiden Teilen Regierenden sich zu einer gemeinsamen Vertretung nach außen — also auch in der UNO — nicht einigen können (wie etwa auch im Falle Deutschlands), dann ist das ihre Angelegenheit und nicht die anderer Staaten. Niemand ist berechtigt, sich hier einzumischen und einem der beiden das Recht, für den anderen außenpolitisch aufzutreten, zu geben — in keinem Fall aber diesem die Möglichkeit für sich selber aufzutreten, zu nehmen. Das haben die USA und alle, die mit ihr stimmten, bisher zugunsten der Kuomintang-Regierung auf Formosa getan. Und das war genauso ein Skandal wie das, was nunmehr geschehen ist. Mit dem immerhin nicht unbedeutenden Unterschied, daß der kommunistische Riesenstaat auf dem Festland durch die Nichtanerkennung in der UNO kaum je in seiner eigentlichen Existenz gefährdet, daß hierdurch nicht der Weg zu einem Angriff durch eine andere Partei geöffnet wurde. Zudem basierte der UNO-Sitz der Kuomintang darauf, daß sie zur Zeit der Gründung der UNO noch Herr über das Festland und Formosa gewesen war und das erstere erst Jahre später von den Kommunisten im Bürgerkrieg errungen wurde. Dennoch war die Aufrechterhaltung des Anspruchs der Kuomintang mit Hilfe der USA unberechtigt. Der Ausschluß Formosas jedoch ist eine Schande.
Er ist es weniger für jene Staaten, deren internationales Rechtsbewußtsein entweder kommunistisch oder sonst sowenig entwik- kelt ist, daß ihre Vertreter nach der Abstimmung in der UNO wilde Freudentänze aufführten, wie dereinst ihre Vorfahren vor Marterpfählen oder wie Hitler im Wald von Compiėgne nach dem Fall Frankreichs. Sie wissen es nicht besser.
Beschämend ists für jene Staaten, ehe dem Kommunismus nicht nahestehend oder verbündet, sich die kommunistiche Alternativ- losigkeit, Recht nur durch Unrecht Genüge zu verschaffen, haben aufzwingen lassen. Sie haben damit die UNO zu einer internationalen Schlachtbank erniedrigt, auf der jedem kleinen Mitgliedstaat durch einfache Mehrheit die außenpolitische — und leicht damit auch die innenpolitische Existenz genommen werden kann. Der Einsturz der bisherigen Kräfteverhältnisse in der UNO wurde zum Teil durch eine Reihe von Staaten in der Hoffnung herbeigeführt, daß durch die Aufnahme Chinas die bisher alleinherrschenden großen Zwei geschwächt werden würden. Es ist noch sehr fraglich, ob sich diese Hoffnung erfüllen wird. Sicherlich wird es nicht dadurch geschehen, daß die Kleinen Schlachtopfer aus den eigenen Reihen den Großen in den Rachen werfen.
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