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Torschluß in Flushing Meadows

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Die vierte Tagung der Generalversammlung der Vereinten Nationen, die am 20. September begonnen hatte, fand am 10. Dezember ihr Ende. Während Generalsekretär Trygve Lie ihre Arbeiten a'i „erfolgreich“ bezeichnete, drückte sich der Präsident der Versammlung, der philippinische Delegierte Carlos Romulo, vorsichtiger aus; die Tagung habe „nicht Anlaß zur Verzweiflung geboten“. Die größte Sorge, fügte Romulo hinzu, bleibe indessen die Tatsache, daß die Menschheit, die früher einmal immerhin mit einer beschränkten Anwendung der möglichen Angriffs- und Vernichtungswaffen rechnen durfte, diese Sicherheit heute, im Zeitalter der Atombombe und des Überschallflugzeuges, verloren habe.

Wie die Tagung mit der gegen den heftigen Widerstand und Protest der S

zustande gekommenen Wahl Jugoslawiens in den Sicherheitsrat einen dramatischen Auftakt genommen hatte, so fand sie auch dadurch einen bewegten Abschluß, daß die von der Generalversammlung beschlossene Internationalisierung Jerusalems und der die Heilige Stadt umgebenden Ortschaften einschließlich Bethlehems auf die schärfste Ablehnung Israels und Jordaniens stieß, die sich gegenwärtig in den faktischen Besitz dieser Stätten teilen. Der Bürgermeister des unter israelitischer Kontrolle stehenden Sektors Jerusalems erklärte, die Internationalisierung könnte „nur über einen Leichenberg“ hinweg durchgeführt werden. Ein Weg zu neuen Gewalttaten wäre also wie-

Her eröffnet, falls der starke Druck, den inzwischen die amerikanische Regierung auf Israel im Sinne der Nachgiebigkeit ausübt, keinen Erfolg haben sollte.

Unter den positiven Leistungen der abgelaufenen Session von Flushing Meadows muß vor allem die Entscheidung über die vormals italienischen Kolonien in Nordafrika genannt werden. Danach wird Libyen im Jahre 1952 und das Somaliland im Jahre 1959 die Unabhängigkeit erhalten, jenes bis dahin von einem Hochkommissar der Vereinten Nationen in der Person des Holländers Pelt, dieses während der nächsten zehn Jahre von den Italienern als Treuhändern verwaltet werden. Die Entscheidung über Eritrea wurde verschoben. Auch den Beschluß, . die Sorge für eine Million arabischer Flüchtlinge aus Palästina zu übernehmen, sowie die Aufstellung eines Planes für die wirtschaftliche Entwicklung des Mittleren Ostens, kann die Generalversammlung unter die Aktiven ihrer diesjährigen Tagung buchen. Doch wo sie Gefahr lief, in das Gehege der großen Politik zu geraten, sah sie sich angesichts der unverminderten Spannung zwischen den Westmächten und der Sowjetunion gezwungen, sich auf prinzipielle Resolutionen ohne praktische Wirksamkeit zu beschränken, wie im Falle der Kontrolle der Atomkraft und ihrer Verwendung in der Rüstungsindustrie, oder klaren Entscheidungen auszuweichen, wie hinsichtlich des Problems, welche Regierung heute als die legitime Regierung Chinas anzusehen ist.

Die chinesische Verwicklung warf den schwersten Schatten auf die Tagung von Flushing Meadows. Nachdem

munistische Volksrepublik China in Peking ausgerufen und die letzte nationalistische Streitkraft aus dem kontinentalen China verdrängt worden war, sah sieli die Generalversammlung der Vereinten Nationen durch die von Rußland und allen kominformtreuen Regierungen unterstützte Forderung des neuen Präsidenten Mao-Tse- Tung nach Anerkennung seiner Regierung und nach Annullierung der Legitimation des Vertreters der Kuomintang vor eine ungewöhnlich schwierige Situation gestellt. Doktor Tsiang versuchte das Interesse der Kuomintang durch die gegen Rußland erhobene Anklage zu verteidigen, dieses habe die Integrität Chinas durch die gewaltsame Unterwerfung der Inneren Mongolei und der nordwestlichen Provinzen Chinas unter seine Kontrolle gröblich verletzt und sei deshalb von den Vereinten Nationen zu verurteilen. Die Generalversammlung wich dem Kernpunkt des Tsiang- schen Antrages aus und einigte sich auf eine Resolution, in der die Achtung der politischen Unabhängigkeit Chinas als Pflicht erklärt, jede Einmischung in die inneren Angelegenheiten dieses Reiches ge- brandmarkt, das Recht des chinesischen Volkes auf freie Wahl seiner Regierungsform bestätigt sowie die Gültigkeit und Wahrung der -mit China bestehenden Verträge besonders betont wurde. Dieser Hinweis auf die internationalen Verträge bedeutet eine ernste Warnung vor irgendwelchen Machenschaften oder Ansdilägen gegen die Stellung Großbritanniens in Hongkong ebenso wie vor solchen gegen den freien Handelsverkehr der Westmächte in Ostasien.

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