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Modernes Handlungsballett

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Hans Kresnik, 34jähriger, aus Kärnten stammender Ballettchef von Bremen, macht für Wien eine Neuinszenierung seiner in Deutschland viel diskutierten, sehr unkonventionellen „Schwanensee A. G. “-Choreographie. Die FURCHE sprach mit dem Choreographen über seine Absichten.

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Hans Kresnik, 34jähriger, aus Kärnten stammender Ballettchef von Bremen, macht für Wien eine Neuinszenierung seiner in Deutschland viel diskutierten, sehr unkonventionellen „Schwanensee A. G. “-Choreographie. Die FURCHE sprach mit dem Choreographen über seine Absichten.

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FURCHE: „Sie machen nun die zweite Choreographie hier im Theater an der Wien, bleiben aber weiterhin in Bremen. Wird es da nicht Kollisionen geben?“

KRESNIK: „Ja, ich bleibe Chef in Bremen. In Wien werde ich ein bis zwei Stücke im Jahr machen, für drei Jahre habe ich mich verpflichtet. Mein nächstes Stück in Bremen wird 'Romeo und Julia' sein, das ich dann auch nach Wien bringen möchte. Pierre Raben schrieb dafür eine eigene Story, in der jeder Romeo oder Julia seih könnte. Es ist ein aggressives Ballett. — Arrabal schreibt derzeit für mich ein Stück, das würde ich gern hier inszenieren. Es ist nur eine Frage der Zeit; da das hiesige Ballett auch in Musicals und Operetten eingesetzt wird, muß man sehen, wie sich das ausgehen kann.

FURCHE: „Können Sie uns etwas über ,Schwanensee A. G.' sagen, wie verhält es sich zu dem berühmten Ballett von Tschaikowsky?“

KRESNIK: „Alle meine Stücke haben politischen Hintergrund, sind sozialkritisch. Bei diesem wurde die ursprüngliche Handlung verfremdet. Hier gibt es drei Prinzen, zwei schwarze Schwäne und einen weißen. Es ist. alles austauschbar, das soll heißen, es gibt keine Schwäne, es gibt nur normale Menschen, die dem faschistischen Rotbart unterstellt sind, der zum Schluß vom gesamten Ensemble umgebracht wird. Der Zuschauer muß sich mit dem Stück identifizieren können. Ich habe es

in Bremen uraufgeführt und karr damit zu Gastspielen nach Wuppertal und Berlin. Hier in Wien wurde nur ganz wenig geändert. Ich habe hier hervorragende Solisten zur Verfügung.“

FURCHE: „Sie haben nur erzählende Stücke choreographiert, sind Sie ein Gegner des abstrakten Balletts?“

KRESNIK: „Abstraktes Ballett kann man nicht verstehen, bei mir ist alles dicht von Handlung. — Sehen Sie, ich habe jahrelang in Bremen unter Hübner mit Zadek, Faßbinder, Stein und anderen zusammen gearbeitet. Dort wurde ein neuer Schauspielstil kreiert. Vorher habe ich in Köln mit Krenko, Miloss und Balanchine getanzt. Mein heutiges Ballett setzt sich aus all diesen und meinen eigenen Ideen und Komponenten zusammen.“

FURCHE: „Sie machen also ganz modernes Ballett, wie reagiert das Publikum darauf?“

KRESNIK: „Wir haben in Bremen kein Abonnement, trotzdem ist jede Vorstellung ausverkauft, lauter junge Leute kommen. Ich wiege das harte Spiel mit Tanz auf. Ich zeige auch, daß Tanz nicht alles ist. Ich habe schon Ballette gebracht, in denen gesprochen wurde, doch auf dem Tanz liegt das Hauptgewicht. Bei aggressiven Szenen nehme ich von allem etwas, Sport, Karate, Stepp usw. baue ich ein, um meine Ideen auszudrücken, die Technik nehme ich vom klassischen Ballett, der moderne Stil ist mir zu beschränkt,

auch mit Pantomime hat es nichts zu tun.“

FURCHE: „Für ihr modernes Ballett benötigen Sie Stücke, woher nehmen Sie die?“

KRESNIK: „Yaak Karzunke, Marianne Eichholz arbeiten für mich, eben gab ich Arrabal eine Auftragsarbeit.“

FURCHE: „Das sind doch lauter Schriftsteller, woher aber kommt die Musik?“

KRESNIK: „Die Musik stelle ich selbst zusammen, es sind lauter Collagen, Geräuschkulissen, dazwischen Musikstücke. Bei ,Schwanensee A. G.' verwende ich nicht nur Tschaikowsky sondern auch Richard Strauss, Johann Strauß Sohn, John Lennon, Paul McCartney, Don Ellis, Ennio Moricone und viele andere. — Ich inszeniere nur abendfüllende Stücke, das kostet sehr viel Arbeit und Zeit. Davon kann man nicht viele machen, ein oder zwei im Jahr, Ich wünsche mir sehr eine Uraufführung in Wien zu machen, vielleicht mit dem Stück von Arrabal.

Das Gespräch führte Linda de Elias-Bianco.

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