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Impulse für die Wiener Ballettszene

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In die Wiener Ballettszene kommt endlich wieder Leben: Während Paolo Bor toi uz zi am Ring Strawinskis „Apollo“ tanzt und bereits mit den Proben für die Ballettpremiere der Staatsoper (15. März) eine M i 11 o s s-Choreo-graphie nach Friedrich Cerhas „Relazioni fragili“, beginnt, arbeiten im Theater an der Wien der aus Kärnten gebürtige junge Choreograph Hans K r e s n i k, zur Zeit Ballettchef in Bremen, an seinen „Nibelungen“ und Alois Mitterhuber an einem „Hamlet“. In der Tanzabteilung der Musikhochschule leitete Jose de U d a e t a, der international prominente Lehrer für spanischen Tanz, ein Seminar. Und Rudolf Nure-j e w kommt wieder an die Staatsoper, um hier seine „Schwa-nensee“-Fassung neu einzustudieren und selbst zu tanzen.

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In die Wiener Ballettszene kommt endlich wieder Leben: Während Paolo Bor toi uz zi am Ring Strawinskis „Apollo“ tanzt und bereits mit den Proben für die Ballettpremiere der Staatsoper (15. März) eine M i 11 o s s-Choreo-graphie nach Friedrich Cerhas „Relazioni fragili“, beginnt, arbeiten im Theater an der Wien der aus Kärnten gebürtige junge Choreograph Hans K r e s n i k, zur Zeit Ballettchef in Bremen, an seinen „Nibelungen“ und Alois Mitterhuber an einem „Hamlet“. In der Tanzabteilung der Musikhochschule leitete Jose de U d a e t a, der international prominente Lehrer für spanischen Tanz, ein Seminar. Und Rudolf Nure-j e w kommt wieder an die Staatsoper, um hier seine „Schwa-nensee“-Fassung neu einzustudieren und selbst zu tanzen.

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„Die sensationellste deutsche Tanznovität“ feierten einige Kritiker 1972 Hans Kresniks Ballett „Schwanensee AG“. „Das dürftigste Ereignis der Saison“ ereiferten sich andere. Triumphale Erfolge, aber auch Premierenskandale ... „Kresniks Trumpf“, bestätigt Bremens Exintendant Kurt Hübner „sind seine ausverkauften Ballettabende. Statt des desinteressierten Abonnentenpublikums hat er junge Leute ins Haus gebracht!“

Kresnik, um den zeitweise die Wogen hochgingen und dessen Arbeiten immer wieder schockieren, arbeitet nun an der Wien an der neuen 80-Minuten-Fassung seines Monsterballetts „Die Nibelungen“. Und er steht bereits im Gespräch, hier den scheidenden Ballettohef Alois Mitterhuber abzulösen. „Allerdings muß ich das erst gründlich überdenken“, bestätigt Kresnik: „Ich müßte die Gewißheit haben, daß das Ballett aufgewertet, auch aufgestockt wird. Vielleicht solUte man die Truppe in eine Musicalgruppe und eine Solistengruppe aufteilen ... Direktor Kutsobera hat da, glaube ich, schon seine Vorstellungen.“

Die Arbeit an der Wien ist freilich vorerst von einem Problem belastet: „Zu knappe Probezeit!“ klagt Kresnik: „Die Tänzer sind engagiert, wollen viel leisten, aber wir müssen erst alles von Grund auf erarbeiten, und meine.Nibelungen' sind sehr kompliziert.“ Kein Wunder, denn Kresnik, der mit Bejart, Cranko, de Mille, Millos, Bolender, Belan-chine gearbeitet hat, hat in seinen Choreographien einen spezifischen Stil entwickelt: Klassisches Ballett als Grundlage, dazu Elemente aus modernem Ausdruckstanz, Showtanz, Sport, Gymnastik, Akrobatik, Kriegs-technik... „Tänzer müssen bei mir manchmal auch singen, spielen ... Meine .Kriegsanleitung für jedermann' (1970) wurde etwa aus der Karatetechnik entwickelt, um Aggressionen der einzelnen und der Masse darstellen zu können ...“

Eine Monstershow versprechen die „Nibelungen“ zu werden. Marietta Eggmann hat dazu grotesk-phantastische Dekorationen entworfen. „Mit Wagner hat das alles nichts zu tun. Die Musik ist eine Collagearbeit aus vielen Elementen, von Pink Floyd bis zur Klassik. Ich will zeigen, wieweit Menschen bereit sind, einem toten Kapital, dem Rheingold, nachzujagen. Mord, Krieg, ja sogar Selbstvernichtung... nichts schreckt das Monster Mensch ab, um in den Besitz des machtverheißenden Goldes zu kommen. Das Rheingold ist für mich ein Roboter, bespickt mit vergoldetem Müll, mit einem 16 Meter langen Goldzopf, ein dahinsiechender Automat, ein sinnloses Ding... Aber unter dem Zwang seines Mechanismus gehen menschliche Beziehungen,

schließlich der Mensch selbst zugrunde.“

In der Tanzabteilung der Wiener Musikhochschule wird in Hinkunft nicht nur Jazztanz, sondern auch wieder spanische Folklore häufiger unterrichtet: Jose de Udaeta, künstlerischer Leiter der Tanzabteilung des Bostoner Konservatoriums, Lehrer der Musikhochschule Hannover und bei der Kölner Sommerakademie, unterrichtete hier zwei Wochen lang und wird auch der Wiener Sommerakademie zur Verfügung stehen. „Schülern spanischen Tanz beizubringen, Ist nicht so sehr eine Sache des Lernens von Schrittfolgen und Figuren. Man muß in ihnen vor allern erst das Gefühl für die eigenartigen Rhythmen wecken, sie müssen reagieren lernen.“ Wie er lehrt, demonstrierte Udaeta in einer Sohülerpräsentation im Reinhardt-Seminar: „Ich lasse immer alle im Kreis antreten. Alle müssen genau sehen, was ich vormache und zugleich müssen sie das Empfinden für den runden Tanzraum, für die kreisenden Bewegungen entwickeln. Wir probieren dann stets gemeinsam. Eine klassische Aufstellung wäre da völlig sinnlos.“

Bei Barcelona hat nun Udaeta in seinem Schloß San Pedro de Ribas ein Tanzstudio eingerichtet: Im August treffen einander dort an die 70 Tänzer. Seminarthemen: Gebrauch von Kastagnet-ten — Udaeta: „Meine Sammlung umfaßt 400 Kastagnetten-paare aller Zeiten!“ — Tänze wie Fandango, Bolero, Malagena, Jota, Boullerias ...

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