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Unartige, vorübergehend heimgekehrt

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Da hängen sie nun. Fast wäre man versucht zu sagen - da hängen sie endlich wieder. Soweit es möglich war, die damaligen Ausstellungsräume nachzustellen, hängen sie so wie sie in den neun Räumen des Münchner Archäologischen Instituts im Juli 1937 gehängt, ausgehängt waren. Die Gemälde, Zeichnungen und Drucke, neben den Skulpturen und Büchern, die für die Nazi-Machthaber keine „Art" hatten oder die falsche, also kurz und griffig „entartet" waren.

Es war eine bösartige Ausstellung, bestückt mit den verschiedensten, eigens aus großen und kleineren deutschen Museen zusammenkonfiszierten Werken der Avantgarde, bei freiem Eintritt zu besichtigen. Gegenüber, im Haus der Deutschen Kunst, lief das Propaganda-Gegenstück, die „Große Deutsche Kunstausstellung", bei nicht freiem Eintritt, aber dafür nach der den Machthabenden genehmen Art. Die Präsentation der „Entarteten" war chaotisch, war mit Parolen und Kommentaren auf den provisorischen Stellwänden versehen, war willkürlich eingeteilt, nach religiösen Motiven, nach der jüdischen Herkunft ihrer Schöpfer, nach „Abstrakten", nach „Primitiven".

„Beleidigung der deutschen Helden des Ersten Weltkrieges", „unfähige Scharlatane", „für literarische und kommerzielle Zwecke benutzte Dekadenz" und die Aufrechnung der Summen, die vom deutschen Steuergroschen für den Ankauf der Werke bezahlt worden waren.

Die „Ausstellung entartete Kunst" zeigte nur einen kleinen Teil der über 16.000 Kunstwerke, die wenige Wochen vor Ausstellungsbeginn beschlagnahmt worden waren. Sie war ein großer Erfolg. Fast drei Millionen Menschen sahen sie auf ihrer Wanderschaft während "der frühen Kriegsjahre durch dreizehn deutsche und österreichische Städte.

Den meisten dieser drei Millionen Besucher war die Avantgarde fremd, sie hatten als Einführung nichts als die dümmlichen Hetzkommentare auf den billigen Wänden neben den Werken von Beckmann, Grosz, Kirchner, Dix, Kokoschka, Nolde, Lehmbruck, Schmidt-Rottluff, Klee, Feininger und Kandinsky. Ja, und Chagall.

Sie hängen natürlich nicht alle mehr, so wie sie einst hingen. 1992 im Alten Museum am Lustgarten, Berlin-Mitte. Die Herrlichkeiten des damaligen Ausstellungsbestandes gingen zum großen Teil verloren, wurden zerstört oder versteigert, yerstei-gert im Sommer vor Kriegsbeginn in der Schweiz, die, .Entarteten" brachten im Ausland Geld für die Rüstung.

Die Reste, die heute hängen - in der angestrengt genauen Reproduktion der damaligen Billigkeit - sind Herrlichkeit genug, heute kaum mehr zu bezahlen, aus der ganzen Welt zusammengeholt.

Max Beckmanns „Kreuzabnahme" mit dem schon todessteifen, geschundenen Leib Jesu bleibt lange auf der inneren Netzhaut.

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