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65 Regierungsvorlagen suchen eine Regierung

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„Alles versprochen, nichts gehalten“, „Erfolg für Österreich, Durchführung der Regierungserklärung“ — alle diese Schlagworte gehören (oder sollten gehören) nunmehr der Vergangenheit an. Worum es nun geht, um den „harten Kern“ der vom designierten Kanzler Kreisky präsentierten ersten Maßnahmen einer SPÖ-ÖVP-Koalition, läßt den Schluß zu, daß die im Parlament befindlichen 64 Regierungsvorlagen und die 43 unerledigten Anträge von Abgeordneten in ihrer Mehrheit der Vergessenheit anheimfallen werden, wie dies teilweise schon in der abgelaufenen Parlamentsperiode war: Die Regierung wird — wie sich die Bilder gleichen! — alle Hände voll zu tun haben, die tagespolitischen Fragen zu erledigen, vielleicht sogar langfristige Dinge in Angriff nehmen, auf jeden Fall aber das Parlament mit einer Fülle von Material eindecken. Das Parlament wiederum, das fleißige, das in den letzten vier Jahren immerhin 820 Abstimmungen abführte, bewältigte schon bisher die Gesetzesflut kaum. Und jetzt kommen die neuen Regierungsvorlagen, die Kreisky versprochen hat...

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„Alles versprochen, nichts gehalten“, „Erfolg für Österreich, Durchführung der Regierungserklärung“ — alle diese Schlagworte gehören (oder sollten gehören) nunmehr der Vergangenheit an. Worum es nun geht, um den „harten Kern“ der vom designierten Kanzler Kreisky präsentierten ersten Maßnahmen einer SPÖ-ÖVP-Koalition, läßt den Schluß zu, daß die im Parlament befindlichen 64 Regierungsvorlagen und die 43 unerledigten Anträge von Abgeordneten in ihrer Mehrheit der Vergessenheit anheimfallen werden, wie dies teilweise schon in der abgelaufenen Parlamentsperiode war: Die Regierung wird — wie sich die Bilder gleichen! — alle Hände voll zu tun haben, die tagespolitischen Fragen zu erledigen, vielleicht sogar langfristige Dinge in Angriff nehmen, auf jeden Fall aber das Parlament mit einer Fülle von Material eindecken. Das Parlament wiederum, das fleißige, das in den letzten vier Jahren immerhin 820 Abstimmungen abführte, bewältigte schon bisher die Gesetzesflut kaum. Und jetzt kommen die neuen Regierungsvorlagen, die Kreisky versprochen hat...

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64 Regierungsvorlagen und 43 Anträge von Abgeordneten liegen derzeit also unerledigt im Parlament auf. Eine Wertung nach ihrer Wichtigkeit und ihrer politischen Konfliktanfälligkeit zeigt, daß eine ganze Reihe wohl auch in der nächsten Legislaturperiode als „parlamentarische Leichen“ dem fortschreitenden Mumifizierungsprozeß zum Opfer fallen werden. Als Beispiele seien angeführt die Abänderungen der Bundesverfassung hinsichtlich des Landwirtschaftlichen Schulwesens, der Kindergärtnerinnen, der Neutralität und zum Schutz des Fernmeldegeheimnisses. Alle diese Regierungsvorlagen wurden Unterausschüssen des Verfassungsausschusses überantwortet, wo sie teilweise schon mehrere Legislaturperioden überdauerten. Geringe Aussicht auf parlamentarische Behandlung haben auch die beiden Vorlagen zum ersten und zweiten Rechtsbereinigungsgesetz, das Polizeibefugnisgesetz, während wohl für die österreichische Nationalstiftung und das Archivalienschutzgesetz die Stunde ihrer parlamentarischen Behandlung in den nächsten vier Jahren nicht schlagen wird.

Im Finanzausschuß findet sich der Entwurf zum Kreditwesen- und Sparkassengesetz 1969 wieder, der Entwurf des Bundeshaushaltsgesetzes und des damit verbundenen Gesetzes über ein Bundesamt für Besoldung und Verrechnung; die Novelle zum AUA-Rekonstruktions-gesetz und das Bodenschätzungsgesetz 1969 werden wohl auch kaum das besondere Interesse der 165 Abgeordneten finden.

Der Justizausschuß ist voll mit einzelnen Rechtsmaterien der Strafrechtsreform, die dem Vernehmen nach in der kommenden Legislaturperiode endlich „drankommen“ wird. Dazu kommt noch das Bundesgesetz über die Verwendung von Schallträgern bei gerichtlichen Verfahren und die Tätigkeit der Notare als Gerichtskommissare — zwei Vorlagen, die eng mit einer Verwaltungsreform verbunden sind. Im Unterrichts- und Landwirtschaftsausschuß finden sich „alte Bekannte“ wieder: die Pflichtschul-erhaltungs-Grundsatzgesetz-Novelle 1969, die mit Verfassungskraft ausgestatteten Bestimmungen über das landwirtschaftliche Schulwesen und nicht zuletzt die Marktordnungsgesetz-Novelle 1968. Im Verkehrsausschuß wartet das von der sozialistischen Bundesratsmehrheit be-einspruchte Fernmeldegebühren-gesetz, der außenpolitische Ausschuß sollte die Kontrollbestimmungen des Abkommens mit der Internationalen Atomenergiekommission in Bälde dem Plenum zur Verabschiedung weiterleiten, da ansonsten ein gesetzloser Zustand eintreten würde. Neben den Regierungsvorlagen, die zu einem Großteil erst unter der

ÖVP-Alleinregierung ins Leben gerufen wurden, warten in den einzelnen Ausschüssen des Parlaments auch eine Unmenge von Abgeordneten eingebrachter Anträge, in der überwiegenden Mehrzahl von sozialistischen Abgeordneten, die jetzt als Regierungspartei sich ihrer „Kinder“ nicht mehr so gerne werden erinnern mögen. Dies trifft etwa auf den Antrag 18/A des Abgeordneten Weber auf Abänderung des Familienlastenausgleichs- und Kinderbeihilfengesetzes den Antrag des Abgeordneten Pay auf Abänderung des Bergbauförderungsgesetzes oder viele SPÖ-Anträge, die sozialrechtliche Verbesserungen anstreben, zu. Gute Erfolgschancen kann man dagegen dem Drei-Parteien-Antrag zur Novellierung des Presserechts einräumen, auch der Antrag Dr. Brodas auf entsprechende Strafbestimmun-

Photo: Wasohel gen gegen Verhetzung könnte in einer allfälligen Strafrechtsreform Eingang finden. Hingegen kann man dem Antrag des burgenländischen SPÖ-Abgeordneten Babanitz auf Verabschiedung eines Burgenland-Bodengesetzes noch eine geruhsame weitere Schlafperiode prophezeien. Alles in allem, eine nur oberflächliche Analyse der unerledigten Anträge und Regierungsvorlagen läßt den Schluß zu, daß nur ein geringer Teil der aufgezeigten Materien aus den Aktenschränken des Parlaments in die Mappen der Abgeordneten hinüberwechseln wird. In vielen Fällen wäre es wohl überhaupt zweckmäßiger, ganz alte „Leichen“ auch formell zu begraben, damit die Statistik kein falsches Bild von der Arbeitsfähigkeit und vom Arbeitswillen der österreichischen Gesetzesmaschinerie zeigt.

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