Zum Mord an Robert Kennedy.
Robert Kennedy ist tot. Genau 1658 Tage nach seinem Bruder John fiel auch er unter den Kugeln eines Attentäters. Es ist gleichgültig, ob beide Kennedys Opfer der gleichen Verschwörung waren, ob jeder dem Komplott von Gruppen zum Opfer fiel, die aus unterschiedlichen Gründen mordeten. Gleichgültig auch, ob Martin Luther King aus den gleichen Gründen sterben mußte wie jetzt Robert Kennedy. Gleichgültig schließlich, ob verrückte Einzelgänger blutige Selbstbefriedigung abartiger politischer Verirrungen übten.
Denn was bleibt, ist die Tatsache, daß Amerika in einer Atmosphäre des Hasses noch immer Führungsaufgaben in der Welt vollbringt. Daß dieses Land eines Washington und Lincoln, der Freiheitsstatue und des Glaspalastes der UNO der Welt Frieden bringen will und im eigenen Land Haß erntet.
Ist der Wilde Westen wirklich tot?
In der Welt des höchsten Lebens-Standards, der noch immer wachsenden Wirtschaft wächst scheinbar die Lust an der Zerstörung, ein Vernichtungstrieb der Grausamkeit.
Geht man in Spielzeugabteilungen amerikanischer Drug-Stores, findet man ein vollständiges Arsenal an Waffen jeder erdenklichen Art. Dreht man das Fernsehen amerikanischer Stationen auf, überquillt das Programm mit Reißern aus dem Milieu des Wilden Westens. Und geht man ins Kino, weiß man, daß Filme wie „Bonnie und Clyde“ mit jener erschreckenden und atemberaubenden Präzision der Brutalität doch so etwas wie eine amerikanische Obduktion sind. Steht der Wohlstandsgesellschaft also der Mord als logische Konsequenz vorgespielter Grausamkeit ins Haus?
Freilich, Anarchisten oder Attentäter kennt auch Europa. Die Serie der Attentate dieses Jahrhunderts von Priniip, dem Schützen von Sarajewo, bis zu Bachmann, der 1968 den Linksradikalen Dutschke töten wollte, reicht ein weiter Bogen, der auch politische Idealisten einschließt. Amerikas grausames Jahrzehnt allerdings beklagt in nicht einmal fünf Jahren drei seiner Besten: John Kennedy, Luther King, Robert Kennedy.
Hat die Welle der Gewalt genug Blutzoll gefunden? Oder stehen wir nur am Beginn einer Politik mit neuen Methoden? Ein Teil unzufriedener Extremisten benützt kollektive Aktion und die Demonstration auf der Straße als Mittel zur Veränderung der Welt und nennt sich „fortschrittlich“— der anderen verhinderter Entwicklung durch Attentate, indem er die Gegner seiner Reaktion liquidiert. Hält die große Mitte der Gesellschaften in Europa und den USA diesem Druck der Flanken stand?
Oder fordert die Freiheit der Demokratie jetzt ihren Preis, weil sie die Bürger nicht kaserniert und bespitzelt? Sie fordert einen hohen Preis. Ihr Preis sind die Besten.
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