Bühne frei für WKStA - Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft steht am meisten in der Kritik, meint Cornelia Koller, weil sie die für die Politik interessantesten Verfahren führt. (Im Bild Staatsanwälte Roland Koch und Gregor Adamovic.) - © APA / Helmut Fohringer

Staatsanwälte-Präsidentin Cornelia Koller: „Weisungsrecht ist Klotz am Bein“

19451960198020002020

Erfolg misst sich für Staatsanwälte-Präsidentin Cornelia Koller nicht an der Zahl von Schuldsprüchen. Ein „Zitierverbot“ lehnt sie ab – und beim Endlosstreit über die Weisungskette wünscht sie sich die Macht auf einen Dreiersenat verteilt.

19451960198020002020

Erfolg misst sich für Staatsanwälte-Präsidentin Cornelia Koller nicht an der Zahl von Schuldsprüchen. Ein „Zitierverbot“ lehnt sie ab – und beim Endlosstreit über die Weisungskette wünscht sie sich die Macht auf einen Dreiersenat verteilt.

Werbung
Werbung
Werbung

Um Vorverurteilungen zu verhindern, sind Ermittlungsverfahren nicht öffentlich, betont die Präsidentin der Staatsanwälte-Vereinigung, Cornelia Koller. Dass regelmäßig aus Akten zitiert werde, liege am Recht der Beschuldigten, sich bestmöglich zu verteidigen.

DIE FURCHE: Frau Präsidentin Koller, wer den aktuellen Prozess gegen Sebastian Kurz verfolgt, bekommt den Eindruck, hier finde ein Match Staatsanwälte gegen Angeklagte statt. In der Vergangenheit gab es bei anderen (Ex-)Politiker-Verfahren Freisprüche, die wurden dann als Art Niederlage für die Staatsanwaltschaft kommentiert. Sehen Sie das auch so?

Cornelia Koller: Das ist eine völlig unrichtige Darstellung in der Öffentlichkeit. Die Staatsanwaltschaft unterliegt dem Objektivitätsgebot. Ihre Aufgabe ist es, die Interessen des Staates wahrzunehmen und nicht die einer Partei. Im Vorverfahren müssen wir abwägen, welche Beweise sprechen für eine Täterschaft und welche dagegen. Wir sind verpflichtet, alle möglichen und zielführenden Ermittlungen durchzuführen, ansonsten würden wir möglicherweise strafrechtsrelevante Dinge nicht finden.

DIE FURCHE: Wann wird Anklage erhoben?

Koller: Wenn für uns die Wahrscheinlichkeit überwiegt, also bei über 50 Prozent liegt, dass es zu einem Schuldspruch kommt, sind wir verpflichtet, die Entscheidung über eine Straftat dem Gericht zu überlassen. Richterinnen und Richter brauchen jedoch eine hundertprozentige Überzeugung, dass es sich um eine Straftat handelt und der Beschuldigte der Täter ist. Nur in diesem Fall darf es zu einer Verurteilung kommen. Eine Staatsanwaltschaft ist nicht erfolgreich, wenn sie eine Anklage durchbringt oder einen Schuldspruch erreicht. Eine Staatsanwaltschaft ist dann erfolgreich, wenn sie so weit wie möglich aufklären konnte, was wirklich passiert ist. Das ist unsere Aufgabe. Dafür machen wir unseren Job.

DIE FURCHE: Für den vor allem Ihre Kolleginnen und Kollegen von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) regelmäßig von der Politik kritisiert werden. Warum ist das so?

Koller: Die WKStA trifft es am öftesten, weil sie die für die Politik interessantesten Verfahren führt. Sie verfolgt Korruptionsdelikte oder große Wirtschaftscausen, wo auch Politikerinnen und Politiker in die Ermittlungen geraten können. Wobei ich klarstellen möchte: Ein Ermittlungsverfahren ist überhaupt nicht öffentlich. Nur die Beteiligten des Verfahrens sind zur Akteneinsicht berechtigt. Das hat seinen guten Grund, es soll zu keinen Vorverurteilungen kommen. Beim Ermittlungsverfahren kann auch herauskommen, dass keine strafrechtliche Handlung vorliegt. Viele Details geraten aber vor der Entscheidung, ob Anklage erhoben wird oder nicht, an die Öffentlichkeit. Das erzeugt ein Bild, als würden die Staatsanwaltschaften diese Informationen nach außen tragen, was nicht der Fall ist.

DIE FURCHE: Sondern?

Koller: Alle Beschuldigten haben das Recht, sich bestmöglich zu verteidigen. Wenn sie die Medienberichterstattung dafür nutzen können, dürfen sie das nach der österreichischen Rechtslage. Beschuldigte dürfen Informationen aus dem Akt weitergeben, die unterliegen aber ihrer Interpretation. Es kann also sein, dass ein Beweismittel herausgezogen wird, fünf andere, die das widerlegen, aber verschwiegen werden. Die Staatsanwaltschaft kann das aber nicht richtigstellen. Wir können nicht sagen: Da wird Blödsinn verbreitet, weil im Akt steht das und das. Wir sind an das Amtsgeheimnis gebunden.

DIE FURCHE: Wird sich diese Schieflage mit dem diese Woche beschlossenen Aus für das Amtsgeheimnis ändern?

Koller: Ich nehme an, dass sich in diesem Bereich auch durch das Informationsfreiheitsgesetz nicht viel ändern wird. Die Staatsanwaltschaft darf keine Informationen rausgeben, wenn diese zum Nachteil der Verfahrensbeteiligten wären oder eine spätere Entscheidung im Strafverfahren behindern könnten. Letztlich kann man diese Informationsweitergabe nicht unterbinden.

DIE FURCHE: Ein Zitierverbot aus nicht öffentlichen Ermittlungsakten, wie von Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) gefordert, ist für Sie keine Option?

Koller: Ich glaube nicht, dass es Sinn macht, Journalistinnen und Journalisten mit einem Zitierverbot zu beschränken. Ich sehe den richtigen Weg darin, die Sensibilität in den Medien zu schärfen und die Öffentlichkeit zu informieren, wie diese Informationen entstehen und welches Ungleichgewicht hier besteht.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung