Als am vergangenen Sonntag eine Stunde vor Mitternacht ein Feuerwerk den Himmel über Belgrad beleuchtete, atmete mindestens die Hälfte der Bewohner auf. Eine Zitterpartie war zu Ende gegangen, der demokratische Kandidat und bisherige Amtsinhaber, Boris Tadi´c, und mit ihm die europäische Idee hatten mit einem knappen Vorsprung von zweieinhalb Prozent vor dem Nationalisten, Tomislav Nikoli´c, einen Wahlsieg errungen. Nikoli´c ist Stellvertreter des Präsidenten der Serbischen Radikalen Partei, dessen Präsident, Vojislav Šešelj, angeklagt wegen Kriegsverbrechen, in Haag einsitzt. Er und
Bogdan Bogdanovic´ ist vor allem Architekt, aber nirgendwo auf der Welt steht ein Gebäude von ihm, das man bewundern könnte. Er hat an der Universität Belgrad Städtebau gelehrt, aber nie eine Siedlung oder einen Stadtteil errichtet. Für ihn ist die Stadt, was er in vielen Büchern und in seiner eigenen Schule, nach altgriechischer Art in einem Dorf nahe von Belgrad gelegen, versucht hat zu erklären, nicht nur ein architektonischer, sondern ein kultureller und moralischer, ein mythischer und symbolträchtiger Begriff. Sein Schicksal war, nicht für lebende sondern für tote Menschen zu
Was über den Athisaari-Plan hinaus zu sagen ist, um das Land zu verstehen.In Ochrid, Mazedonien, damals noch Jugoslawien, habe ich 1952 als junger Journalist ein Interview mit einem albanischen Holzschnitzer gemacht. Danach wollte er mehr über die Ungarn wissen, er hatte gehört, sie seien ein wildes Volk, das Fremde ausraube und abschlachte, er habe Verwandte in Subotica im Norden, die er besuchen wolle und fürchte sich sehr. Als ich ihm erklärte, er irre, dort sei alles durchaus zivilisiert, man halte dort jedoch sein Volk für ungebändigt und heißblütig - unhöflicher mochte ich mich
Fragen über Fragen sind auch 50 Jahre nach dem Ungarn-Aufstand geblieben. Vor allem: Warum hat der Westen untätig zugeschaut?Ein halbes Jahrhundert nach der ungarischen Revolution ist es in unserem formal medienoffenen Zeitalter verwunderlich, dass viele Fragen in Zusammenhang mit diesem wichtigen Ereignis nicht nur nicht beantwortet, sondern zum Teil nicht einmal gestellt werden. Daran ändert wenig, dass Teile der Archive, seltsamerweise mehr noch in Russland als in den USA, zugänglich sind. Im ehemaligen Jugoslawien, das eine wichtige Rolle als quasi unabhängiger, de facto stark
"Montenegro ist ein idealer Platz für finanzielle Transaktionen, böse Zungen würden sagen, für Geldwäsche. Und dazu ist es mit mysteriöser Hilfe aus Westeuropa gekommen." Ivan IvanjiDie Staatengemeinschaft Serbien und Montenegro hat sich am 21. Mai aufgelöst, beide Mitglieder der Gemeinschaft sind souverän geworden, der Zerfall Jugoslawiens ist damit abgeschlossen. Da Serbien völkerrechtlich als Nachfolgestaat behandelt wird, erscheint nur Montenegro als neuer Staat und 192. Mitglied der UNo, am 28. Juni wurde seine Fahne vor dem Gebäude der Weltorganisation gehisst.Das neue
Milosevic ist tot, Serbiens Probleme bleiben. Trist ist die Situation der großen Minderheit der Roma, auch wenn sie ein Theater eröffnen und ihre eigene Grammatik herausgeben können. Besonders schlimm ist ihre Situation im Kosovo - viele sind geflüchtet.In Belgrad ist die erste moderne Grammatik der Sprache der Roma auf Serbisch erschienen. Der Autor, Rajko Djuric´, 58, Präsident des P.E.N.-Weltzentrums der Roma, ist zur Zeit einer der Stellvertreter der staatlichen Nachrichtenagentur "Tanjug" in Belgrad. Seine Bibliografie umfasst bisher 34 Werke. Auf meine Frage, ob es in Serbien
In Serbien werden die Kriegsverbrecher Radovan Karad`zi´c und Ratko Mladi´c als Helden besungen, die orthodoxe Kirche hat einen Antisemiten heilig gesprochen.In der letzten Zeit mehrten sich in Serbien Vorfälle, die nicht nur antisemitisch, sondern sogar faschistoid genannt werden können. Besonders traurig daran, dass sie meist aus den Sphären der Kultur kommen oder inspiriert werden.Das serbische Institut für Literatur und Kunst hatte bei der unesco für sein Projekt "Mündliche Überlieferung serbischer epischer Lieder" finanzielle Hilfe beantragt und bekommen. Das Institut untersteht
Was mich mit Milo Dor verbindet.Milo Dor * 1923SchriftstellerNach dem Krieg war ich 1952 zum ersten Mal in Deutschland und lernte den noch kaum bekannten Heinrich Böll kennen. Er machte mich auf einen Landsmann und sein Buch mit dem Titel "Tote auf Urlaub" aufmerksam. So erfuhr ich aus dem Munde des späteren Nobelpreisträgers von der Existenz von Milo Dor. Viel später habe ich gehört, dass er als Milutin Doroslovac geboren ist, dass wir einige Zeit lang gleichzeitig in meiner Geburtstadt Zrenjanin gelebt haben und vieles andere, was uns bis heute verbindet.Die erste Ausgabe seines ersten
Der politische Machtanspruch der serbisch-orthodoxen Kirche beunruhigt zwar die Angehörigen anderer Konfessionen und Religionen, doch alle Parteien buhlen um ihre Gunst.Das orthodoxe Weihnachtsfest wurde in diesem Jahr in Belgrad von 49 neuen Glocken auf der noch nicht einmal fertiggebauten Kathedrale des heiligen Sava, des größten Gotteshauses auf dem Balkan, eingeläutet. Geliefert wurden sie von der Innsbrucker Gießerei "Graßmayr", die schon im 19. Jahrhundert, als Serbien noch unter der Herrschaft der Türken war, Glocken für das Land angefertigt hat. Die ersten Glocken mussten
Karl Markus Gauß vereinigte seine meist treffenden, oft witzigen, manchmal tiefschürfenden kurzen Aufsätze über unseren Kontinent zum „Europäischen Alphabet”. Er betrachtet Länder, Völker, Sitten, Unsitten mit wehmütigliebevollem Rlick, plaudert auf den ersten Rlick über dies und jenes in gut österreichischer Manier hinweg, bis man erst auf den zweiten entdeckt, wie listig seine Lustigkeit ist.Wer denkt schon dran, wenn das Wort „Auswanderung” fällt, daß die weitaus größte „burgenländische Stadt” Chicago ist, die zweitgrößte Wien, die drittgrößte New York, und
Gabriel Laub nennt sein neuestes Buch „Man kann's auch positiv sehen”. Das Problem des Be-zensenten ist: Er weiß nicht so recht, welcher Gattung dieses Werk ist. Laub und sein Verleger haben sich diese Frage gar nicht erst gestellt. An die 180 Geistesblitze sind hier versammelt, die meisten je 20 Zeilen lang, ohne daß unter dem Titel oder auf dem Klappentext stünde, was es sein soll. Humoresken sind es eigentlich nicht, Satiren auch nicht, diese Texte Gewitzel zu nennen, wäre beleidigend, steckt in ihnen doch allemal mehr Weisheit als in manchen Feuilletons. Vielleicht sollte man sie
Das erste Dokument, das der Präsident Serbiens, Slobodan Milosevic, und der Leader der Albaner im Kosovo, Ibrahim Rugova, gemeinsam unterzeichnet haben, kam dank der erfolgreichen Geheimdiplomatie einer Organisation mit Sitz in Rom zustande. Im kurzen Text des Abkommens danken Milosevic, Sohn eines serbisch-orthodoxen Popen, und Rugova, ein - wie er sich selbst nennt - „nicht praktizierender Moslem", ausdrücklich „den Freunden aus der humanitären Gemeinschaft Sankt Egidio für Hilfe und Unterstützung bei der Verwirklichung des Dialogs".Mit dem Abkommen wird eine mehr als
Die Beschreibung des Schneegestöbers an der Drina in Peter Handkes Reisebericht über Serbien gehört vielleicht zu den besten Seiten, die dieser bedeutende Dichter geschrieben hat.
Die bürgerlichen, national gesinnten, oppositionellen Parteien in Serbien lehnen den Frieden von Dayton nicht ab. Sie werfen dem Präsidenten Serbiens, Slobodan Milosevic, jedoch vor, er habe erst eine „kriegstreiberische" Politik geführt und dann habe er kapitulieren müssen. Der Bürgerbund Serbiens, die einzige wirklich demokratische Option, unterstützt den Frieden nicht nur, sondern sagt, Milosevic sei eigentlich auf die Linie eingeschwenkt, die der Bürgerbund bisher vertreten habe. „Wir werden Milosevic ständig daran erinnern, daß er diesen Krieg verursacht hat und sich
Kann Präsident Milosevic den bosnischen Serbenführer Karadzic stürzen? Es besteht kein Zweifel, daß er es will. Er läßt Karadzic über seine mächtige Propagandamaschinerie Lügner, Verbrecher, Spieler und Kriegsprofiteur nennen. Das bleibt haften (siehe auch Seite 6 und 8).Zu den Kräfteverhältnissen muß gesagt werden, daß die Streitkräfte und die Polizei in Restjugoslawien auch in dieser Situation fest zu Miloševic stehen. Andererseits ist der militärische Kommandant der bosnischen Serben, General Mladic, auf Tauchstation gegangen. In Pale bei der Ablehnung des Friedensplanes
Der Papst hat seinen seit langem in Kroatien erhofften Besuch für September bestätigt. Ob er Sarajewo besuchen kann, hängt von der Sicherheit der Flugplatzes ab.
Walter Manoscheks Buch ist nachdenklichen Zeitgenossen zu empfehlen, die sich vor einem Blick in frühere und leider auch heutige Abgründe nicht fürchten.
Serbien macht Stimmung für einen Papstbesuch. Hatten bisher serbische Medien geschrieben, der Vatikan sei 1 eilnehmer der „weltweiten Verschwörung gegen das serbische Volk", wird jetzt betont, daß Rom die Sanktionen verurteile und sich sogar der Papst gegen das NATO-Bombardement bei Goražde ausgesprochen habe.Am 12. Mai kommt Rußlands Patriarch Alexej nach Belgrad. Sein Besuch hat eine nicht nur kirchliche Bedeutung. Es soll auch über den Wunsch geredet werden, den Papst im September hier zu begrüßen. In Belgrad wird geflüstert, die Frau des seroi-schen Präsidenten Milosevic habe
Der gemeinsame Staat der Moslems, Serben und Kroaten in Bosnien und Herzegowina hatte nie Lebenschancen, nachdem das größere Projekt Jugoslawien als multikultureller und multinationaler Staat gescheitert war. Die Weltöffentlichkeit beginnt diese traurige Tatsache einzusehen und man spricht von einem serbischen Sieg. Aber das ist ein Irrtum.Auf dem Territorium Bosniens und Kroatiens haben sich zwar zwei serbische Gebiete als Staaten proklamiert. Sie können sich jedoch nicht mit dem Mutterland vereinigen. Und selbst wenn das möglich wäre, besitzen sie doch weder Industrie noch genug
Nach den aufregenden Ereig -nissen im jugoslawischen Gebiet Kosovo im Frühjahr, die fünfundzwanzig Menschenleben gekostet haben, wurden etwa 250 Albaner, vorzüglich Intellektuelle, in sogenannte Isolationshaft genommen. Die Polizei berief sich auf die Möglichkeit, diedie Verfassung vorsieht, in einer außerordentlichen - für die Auseinandersetzung im Kosovo nicht zutreffenden - Situation, wie unmittelbare Kriegsgefahr oder gefährliche Seuchen, gewissen Personen einen bestimmten Aufenthaltsort zu verordnen. In diesem Fall stand im Polizeibeschluß: „Ihnen wird als Aufenthaltsort das
Der Schriftstellerverein Serbiens teilte mit, er habe alle Verbindungen zum Verein slowenischer Schriftsteller abgebrochen. Bekanntlich sind Serbien und Slowenien Teile der jugoslawischen Föderation. Der Literatenverein des Gebietes Kosovo will nichts mehr mit den serbischenKollegen zu tun haben. Kosovo ist ein autonomes Gebiet Serbiens. Einige montenegrinische Autoren verließen fluchtartig ihre Organisation und wurden von den Kroaten aufgenommen. Die Schriftsteller in Makedonien, in Bosnien und in der Herzegowina wollen keine der beiden Seiten beleidigen und geraten so zwischen die Fronten.
Die jugoslawischen Schriftsteller richteten auf ihrem Kongreß im April 1985 eine Botschaft an die Öffentlichkeit und die Politiker, in der sie unter anderem forderten, den Artikel des Strafgesetzbuches zu streichen, aufgrund dessen sogenannte „verbale Delikte“ strafbar waren. Die Antwort des Staates lautete damals, die Dichter könnten gerne beschließen, was sie wollten,doch habe das keinen Einfluß auf die Juristische Regulative“, dafür seien andere „Institutionen des Systems“ zuständig.Da die Schriftstellerorganisa-’ tion böse Erfahrungen einiger Mitglieder registrieren
Auf der Belgrader Buchmesse in, diesem Herbst haben sich 372 jugoslawische Verleger mit etwa 1.100 ausländischen Kollegen aus 67 Ländern getroffen. Die Hallen waren eine Woche lang sehr gut besucht, auch durchschnittliche Leser kauften mit großer Ermäßigung viele Bücher. Kaum zu glauben, daß man sich in einem von Krisen geschüttelten Land mit einer Inflation von über 200 Prozent, einem starken Rückgang des Lebensstandards, mit drei oder vier Streiks täglich und Kundgebungen der unzufriedenen Massen befand.Die Statistik zeigt freilich traurigere Tatsachen: die jugoslawischen Verleger
Die lebhafte Bautätigkeit in Belgrad scheint in Widerspruch zur Wirtschaftskrise im Lande zu stehen. Zwischen dem Hotel „Interkontinental“ und dem Zentralkomitee der Partei in Neu-Belgrad soll das Hochhaus der Firma „ugopetrol“ mit 18.000 Quadratmetern Bürofläche entstehen, ohne Rücksicht darauf, daß neue administrative Bauten verboten sind. Auf dem Platz der Republik im Zentrum wird das 1868 errichtete Nationaltheater renoviert. Der Flügel für Garderoben und Büros wurde sogar abgerissen und wird ganz neu hochgezogen.Am anderen Ende des alten Stadtkerns, auf dem Wratschar
Großvater bekam einen seltenen Namen und hatte einen seltsamen Glauben. Niemand sonst in diesem Dorf im Banat hieß Moritz. Das war ja ein Name für Adelige, für Herzöge gar, nur daß sich solche hohe Herren nicht mit gemeinen Dingen abgaben und nicht auch noch Herzl heißen konnten. Schon Urgroßvater Leopold hielt sich für vornehm. Herr Herzl kaufte Mais, Kukuruz,Sommergerste und Futterhafer, lieh auch Geld aus, eine Seele von einem Menschen, war aber streng mit den Zinsen, der Halsabschneider, der jüdische ... Aber jemand muß ja die Wagen mieten, die Eisenbahnwaggons, das Abgeerntete
I edes Kind stellt sich manchmal I vor, es sei ein Cowboy. Oder In-cuaner, Detektiv, Jäger, Kosmonaut. Jeder Stock kann zum Gewehr werden, Säbel, Teleskop, Zauberstab. Die Phantasie ist stark, die Wirklichkeit kein Hindernis. Wenn das Kind sich mit den Gegebenheiten abzufinden beginnt, wird es zum Erwachsenen. Wenn nicht, wird es manchmal Schauspieler.„So geht's nicht weiter. Wenn wir selber nichts unternehmen, bleibt alles beim alten", sagte die schöne Anfängerin und streckte ihre langen, nackten Beine so aus, daß jeder, der zum Büffet wollte, über sie hinwegklettern, aber