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Die gute Nachricht aus dem Kosovo
Das erste Dokument, das der Präsident Serbiens, Slobodan Milosevic, und der Leader der Albaner im Kosovo, Ibrahim Rugova, gemeinsam unterzeichnet haben, kam dank der erfolgreichen Geheimdiplomatie einer Organisation mit Sitz in Rom zustande. Im kurzen Text des Abkommens danken Milosevic, Sohn eines serbisch-orthodoxen Popen, und Rugova, ein - wie er sich selbst nennt - „nicht praktizierender Moslem", ausdrücklich „den Freunden aus der humanitären Gemeinschaft Sankt Egidio für Hilfe und Unterstützung bei der Verwirklichung des Dialogs".
Mit dem Abkommen wird eine mehr als sechsjährige Periode beendet, in der es für die Albaner von der Volksschule bis zur Universität einen alternativen, vom Staat nicht anerkannten Unterricht in Privathäusern, Teestuben, Garagen und ähnlichen Rehelfsräumen gab. Dazu kam es, weil die Albaner aufgrund des offiziellen Schulprogrammes, das auf ihre Wünsche nicht Rücksicht nahm, weder lernen noch lehren wollten. Das alternative Schulwesen wurde durch Spenden vor allem von Auslandsalbanern finanziert. Allerdings wurden die Zeugnisse und Diplome, die diese Schulen ausstellten, von niemandem anerkannt.
Der Vizepräsident der führenden Partei der Albaner, des „Demokratischen Bundes Kosovo", Fehmi Agani, seufzte seinerzeit: „Mögen Sie uns Kanonen wegnehmen, aber mögen sie uns unsere Schulen lassen!" Jetzt geht sein Wunsch in Erfüllung.
Einzelheiten muß noch eine Kommission ausarbeiten, die aus je drei Vertretern der serbischen Regierung und der Albaner bestehen wird; es wird dies gleichzeitig das erste offizielle gemeinsame Gremium nach sieben Jahren Zwist sein. Das ist auch ein Politikum ersten Ranges. Eine wichtige Frage dabei wird auch die Rezah-lung der etwa 20.000 Iehrer sein, die bisher die etwa 400.000 albanischen Schüler unterrichtet haben. Die serbische Regierung schuldet den serbischen Lehrern und Professoren mehr als zwei Monatsgehälter, so daß den Anfang des Schuljahres fast ein Generalstreik der Lehrer markiert hätte.
Auf beiden Seiten sind die Nationalisten unzufrieden. Adem Demaci, ein Albaner, der über 20 Jahre in serbischen Gefängnissen verbracht hat, warf Rugova vor, er habe die Idee einer „Republik Kosovo" verraten, seine Bewegung drohe in Richtung einer nur kulturellen Autonomie „abzurutschen". Die serbischen Nationalisten im Kosovo werfen Milosevic vor, die Einigung komme einer Kapitulation vor dem Druck des Auslands gleich, mit der in Kauf genommen werde, daß Kosovo, „die Wiege des Serben-tums", verloren gehe.
Im allgemeinen wurde jedoch die Einigung mit großer Erleichterung aufgenommen. Die Lage im Kosovo, wo die serbische Repression stark war, wo es immer wieder zu terroristischen Angriffen junger Albaner auf serbische Polizisten und Polizeistationen kam, könnte sich beruhigen.
Noch sind viele Probleme zu lösen, aber es ist nach längerer Zeit endlich eine gute Nachricht zum Thema Kosovo. Und sie ist, wie Milosevic und Rugova betonen, der Geheimdiplomatie einer bescheidenen privaten katholischen Gemeinschaft zu verdanken.
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