Belgrad - © Foto: Pixabay

Bernhard in Belgrad

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Österreich ist auf mehreren Bühnen der serbischen Hauptstadt präsent. Ein Theaterbrief von Ivan Ivanji

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Österreich ist auf mehreren Bühnen der serbischen Hauptstadt präsent. Ein Theaterbrief von Ivan Ivanji

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Die letzte Theaterpremiere in Belgrad im vergangenen Jahr war "Heldenplatz" von Thomas Bernhard im "Atelier 212". Bernhard war bis zu dieser Vorstellung hierzulande weitgehend unbekannt. Die Medien stellten bemerkenswerte Ähnlichkeiten der heutigen Verhältnisse in Serbien mit jenem Zustand in Österreich fest, den Bernhard so gnadenlos unter die Lupe genommen hat. "Das Stück ist in einem weitaus breiteren Kontext, als dem österreichischen, in allen verschlossenen, spießbürgerlichen, intoleranten und xenophobischen Milieus aktuell, demzufolge auch in dem unseren", hieß es in der Kritik des Nachrichtenmagazins Vreme ("die Zeit").

Das "Atelier 212" ist ein Haus, das modernes Theater spielt und ein Publikum besitzt, das darauf eingestellt ist. Die Vorstellung dauert dreieinhalb Stunden, Regisseur Dejan Mijač und seinem perfekt eingespielten Schauspielerteam gelang es trotzdem, den Text "dieses feinfühligen und weisen Misanthropen" (wieder aus der Kritik von Vreme) den Belgradern nahe zu bringen.

Karl Kraus und der Krieg

Es ist das zweite Mal, dass ein Stück, von dem man gemeint hat, es zeige eine typisch österreichische, anderswo schwer verständliche und zugängliche Atmosphäre, ausgerechnet in Belgrad gut ankommt. Zur schlimmsten Zeit der Diktatur von Slobodan Milošević klangen Repliken aus den "Letzten Tagen der Menschheit" von Karl Kraus (aufgeführt im "Jugoslovensko dramsko pozoriste" - "Jugoslawisches Schauspiel"), als zielten sie auf die Zustände während der von Belgrad aus angezettelten Kriege in Kroatien und Bosnien - Kosovo war damals noch nicht "auf der Tagesordnung". Jetzt lassen ein virulenter Antisemitismus und nationalistische, faschistoid zu nennende Erscheinungen in der serbischen Gesellschaft so manches, was Bernhards Figuren sagen, klingen, als seien sie auf die hiesigen Situationen gemünzt.

Das neue Jahr begann mit dem Stück "Amadeus" von Peter Shaffer. Es wurde schon vor einem Viertel Jahrhundert im "Savremeno pozoriste" ("Modernes Theater") in Belgrad aufgeführt, das Mozartjahr war eine willkommene Gelegenheit, das provokante Schauspiel in einer neuen Inszenierung und mit neuen Akteuren wieder auf die Bühne zu bringen. Das Problem der Regisseurin, Alisa Stojanovic und ihrer Mimen war, dass inzwischen sowohl sie selbst als auch das Publikum den trefflichen, auf Grund dieses Stücks gedrehten Film von Milos Forman gesehen hatten. Was im Film gelungen ist, Mozart nicht nur als Mensch von Fleisch und Blut, sondern als Spaßvogel und lasziven jungen Mann zu zeigen, artete hier in ein groteskes Spiel aus, das nicht so richtig verstehen ließ, wie sich in einer als Clown agierenden Figur ein solches Genie verbergen konnte. Die Zuschauer amüsierten sich trotzdem, oder gerade deshalb, prachtvoll. Zu loben ist die meist geschickt eingesetzte Musik Mozarts, allerdings wurde im Programmheft vergessen anzugeben, welche Werke in welcher Aufführung ertönten.

"Amadeus" und seine Musik

Mozarts Musik hörte man im Jänner allerdings auch direkt auf anderen Schauplätzen in Belgrad. Im größten, 4.000 Besucher fassenden Saal der Hauptstadt auf dem Messegelände führte die Gemeinschaft aller Musikschulen Serbiens das Requiem auf. Auf diese Weise wurden junge Musiker und Sänger des ganzen Landes zu einem gemeinsamen Auftritt versammelt. Die einzige private Oper im Lande, "Madlenianum", führte "Così fan tutte" auf. Interessant ist dabei wohl auch, dass dieses Musiktheater seinen Namen der Gattin eines der reichsten Serben verdankt. Es wird allein aus der Tasche von Filip Zepter finanziert, der eigentlich Milan Jankovic hieß; er hat jedoch offiziell den Nachnamen geändert, weil er vorher seine Firma, die international mit der Herstellung und dem Verkauf von Geschirr befasst war, später mit "Waren aller Art", wie es amtlich heißt, "Zepter" nannte.

Die Belgrader Nationaloper hat trotz des Jubiläums im Augenblick keinen Mozart auf dem Spielplan. Schade. Dieses Haus hatte vor Jahrzehnten große Zeiten. Wien verdankte ihm solche Sängerinnen wie Biserka Cvejic und Olivera Miljakovic sowie den ehemaligen Ballettchef der Wiener Staatsoper, Dimitrije Parlic .

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