Der unaufgeregte Wortarbeiter

Werbung
Werbung
Werbung

Kaum ein Regisseur hat solche Höhen und Tiefen gekannt wie Jürgen Gosch. 1943 in Cottbus geboren, studierte er in Berlin (Ost) auf der berühmten Ernst-Busch-Schule Schauspiel. Nach ersten Engagements als Schauspieler verlegte er sich zunehmend auf die Regie. Ende der siebziger Jahre inszenierte er an der Berliner Volksbühne das absurde Pipi- und Popo-Reich aus Büchners Farce "Leonce und Lena" in unverhohlener Ähnlichkeit zum real existierenden Sozialismus der DDR. Das trug ihm ein Berufsverbot ein, sodass er schließlich in den Westen auswandern musste. Nach Stationen in Hamburg, Hannover, Köln, wo er 1985 mit einer archaisch anmutenden Inszenierung von Sophokles' "König Ödipus" mit Ulrich Wildgruber auffiel, kam er schließlich wieder nach Berlin, wo er 1988 für nur wenige Monate die Leitung der Schaubühne übernahm, ehe ihn die vehemente Ablehnung einer "Macbeth"-Inszenierung zur Aufgabe bewog.

Unkonventioneller Einzelgänger

Stets hatte sein Theater etwas Unzeitgemäßes, war Gosch ein einzelgängerischer, unkonventioneller Theatermacher, der abseits ideologischer Positionen, modischer Trends und künstlerischer Gewissheiten allein aus der genauen Stücklektüre heraus seine besondere Art Theater hat entstehen lassen. Sein Interesse galt der eigenen Welt im Stück, der Suche danach, was es über die heutigen Menschen enthält. Anpassung war dabei seine Sache nicht, und so blieben seine Arbeiten lange umstritten, wie noch sein Düsseldorfer "Macbeth" aus dem Jahr 2005, den man bei den Wiener Festwochen 2007 sehen konnte. Darin trieben sieben nackte männliche Darsteller ein tolldreistes, kindisches Ekel-Spiel wider den blutigen Ernst.

Die Wertschätzung für den zarten, bescheidenen Mann kam spät. Mit Inszenierungen von Stücken Roland Schimmelpfennigs und immer wieder Tschechow feierte er durchwegs Triumphe bei Publikum und Kritik. Schließlich folgten zwei Einladungen zum Berliner Theatertreffen und die Verleihung des Berliner Theaterpreises 2009, den er sich mit seinem Bühnenbildner Johannes Schütz teilte, aber nicht mehr persönlich entgegennehmen konnte.

Hierzulande wird Jürgen Gosch vor allem mit seiner Interpretation von "Onkel Wanja" bei den diesjährigen Festwochen in Erinnerung bleiben. Den ganzen "Faust" sollte er unter Bachler noch an der Burg in Szene setzen, und auch seine Interpretation von Euripides "Bakchen" für die Salzburger Festspiele, an denen er bis zuletzt arbeitete, werden wir nun nicht mehr sehen.

In der Nacht auf Donnerstag vergangener Woche ist dieser große Theaterkünstler in seiner Wohnung in Berlin seinem Krebsleiden erlegen. Er wurde 65 Jahre alt.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung