Der Vorbote der Sternsinger

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Getahun Kebede Tafa zeigt Menschen in Äthiopien, wie man durch Bildung der Armut entkommt. Kurz vor Start der Dreikönigsaktion war der Landwirtschaftsexperte in Österreich, um von den Nöten und Aufbrüchen seiner Heimat - und seinen eigenen Träumen - zu erzählen.

Alle Jahre wieder ist es so weit: Dann werden kurz nach Weihnachten über 80.000 Kinder in wallende Gewänder schlüpfen, stoffbespannte Kronen auf ihre Köpfe setzen und mit einem Sternträger voran losmarschieren. Sie werden in zugigen Stiegenhäusern oder auf offener Straße a capella singen, Segenssprüche aufsagen und ihre Sammelbüchsen samt Spendensiegel zücken. 15,3 Millionen Euro haben die österreichischen Sternsinger im Vorjahr bei diesem Marathon der Solidarität gesammelt. Eine beeindruckende Summe, die 500 Entwicklungsprojekten und damit rund einer Million Menschen in Afrika, Asien und Lateinamerika zugute kam.

Nachhaltigkeit und Selbstbestimmung

Heuer steht einmal mehr Äthiopien im Fokus der Dreikönigsaktion der Katholischen Jungschar. Das Land am Horn von Afrika zählt zu den ärmsten der Welt: Rund 30 Prozent der etwa 90 Millionen Einwohner müssen mit weniger als einem Euro pro Tag ihr Auslangen finden. Kriegerische Auseinandersetzungen, Dürrekatastrophen und fehlende Infrastruktur haben der Armut den Boden bereitet, der Klimawandel und die Verpachtung riesiger "brachliegender“ Flächen an Konzerne aus Indien, Saudi-Arabien, China und Europa verschärft die Situation zusätzlich. "Es braucht hier mehr als kurzfristige Hilfe für Notleidende“, sagt Getahun Kebede Tafa im Büro der Katholischen Jungschar mit Blick auf den Wiener Stephansdom. "Es braucht nachhaltige Projekte, die von den Gemeinden vor Ort selbstbestimmt entwickelt und auch durchgeführt und kontrolliert werden.“

Vor allem aber brauche es Bildung, sagt der 30-Jährige. Erstmals in seinem Leben hat der Landwirtschaftsexperte Äthiopien verlassen, um im Vorfeld der Sternsingeraktion gemeinsam mit einer Kollegin drei Wochen lang durch Österreichs Diözesen zu touren und in Pfarren und Volksschulklassen von den Herausforderungen in seiner Heimatregion Qarssa, 160 Kilometer südlich der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba, zu berichten: Er erzählt davon, dass viele Familien ihren Mädchen den Schulbesuch verweigern, weil sie für die Arbeit benötigt und "ohnehin“ mit 16 Jahren verheiratet werden; dass Frauen vielfach weder lesen noch schreiben können und folglich keine Mitsprache im Haushalt haben, obwohl sie 18 Stunden täglich arbeiten; dass die landwirtschaftlichen Erträge aufgrund suboptimaler Fruchtfolge und ineffizienter Bearbeitungsmethoden äußerst niedrig sind.

Das Projekt "HEFDA“ ("Harmee Education for Development Association“, wobei "Harmee“ für "Mutter“ steht) will bei alledem ansetzen: durch ein Schulungszentrum, in dem Landwirte das Rüstzeug für ebenso effiziente wie nachhaltige Produktion erhalten; durch spezielle Tutorien für Mädchen in den Schulen; und vor allem durch die Gründung von Frauengruppen - begleitet von Alphabetisierungskursen, Unterstützung bei der Haushaltsplanung und dem Aufbau von Spar- und Kleinkreditvereinen zum weiblichen Empowerment. Die Vernetzung von Frauen reduziert nicht zuletzt auch häusliche Gewalt, erzählt Getahun Kebede Tafa: "Wenn andere Frauen von Übergriffen eines Manners erfahren, gehen sie hin und beschämen ihn öffentlich durch rituelle Gesänge.“

Lernen ist alles

Dass er selbst Zugang zu Bildung hatte, betrachtet er heute als Geschenk: 1982 als ältester Sohn eines Bauern mit zwei Schwestern und drei Brüdern geboren, konnte er nach der Grundschule das College besuchen und dank eines Stipendiums des Landwirtschaftsministeriums studieren. 2010 kam er schließlich als Experte für Landwirtschaft und natürliche Ressourcen zu HEFDA, einem Partnerschaftsprojekt der österreichischen Dreikönigsaktion.

Heute unterstützt er neben seiner beruflichen Tätigkeit auch seine jüngeren Schwestern, so gut er kann. Er selbst träumt inzwischen von einem Masterstudium - und davon, dank HEFDA - und den gesammelten Spenden der Sternsinger - der Armut weiter den Boden zu entziehen. "Lernen ist eben alles“, sagt er vor der imposanten Kulisse des Stephansdoms. "Je mehr man lernt, desto mehr kann man den Menschen dienen.“

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