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Von Lagerfeuerromantik bis zur Kinderlobby

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Die Romantik eines Lagerfeuers, das erste Mal von Zuhause weg im Zeltlager. Knietiefer Morast nach oststeirischen Juligewittern: dennoch unnachahmliches Erlebnis gemeinsamer Wettkämpfe bei der „Bubenolympiade" im Schloß Schielleiten. Viele Kindheitserinnerungen lauten so, für viele Erwachsene bleibt die Jungschar unauslöschlich mit ihrer Kindheit verbunden. Das ist heute nicht anders: Jedes vierte Kind zwischen acht und vierzehn Jahren ist auch „Jungscharkind".

Die große kirchliche Kinderorganisation feiert nun ihr 50jährige Bestehen. In ihrer Geschichte spiegeln sich gesellschaftliche Entwicklungen wider, manches überdauert diese auch: „Jungschar ist nicht Kinderbetreuung oder -Verwahrung, sondern Kinderbewegung!" Dieser Leitsatz aus den fünfziger Jahren klingt nicht verstaubt.

Anfangs waren Buben und Mädchen - wie anderswo - getrennt, auch die Großveranstaltungen „ Buben-olympiade" und „Palette" für Mädchen, die bis Ende der achtziger Jahre stattfanden, wandten sich an ein Geschlecht. Seit 1973 steht Koedukation auf die Fahnen geschrieben, Buben gemeinsam mit Mädchen (und umgekehrt). Gesellschaftliche Bewußtseinsänderung durch die Frauenbewegung stellt dieses Konzept wieder in Frage: Soll es nicht doch mädchenspezifische Jungschararbeit geben? Allein die Zahlen sprechen für sich: Zwei Drittel der 135.000 Jungscharkinder sind Mädchen!

Lebensraum für Kinder schaffen -davon geht das gegenwärtige Jungscharkonzept aus; als zweites will die Jungschar „Kirche mit Kindern" sein und schließlich eine Lobby im Interesse der Kinder darstellen. Denn in der gegenwärtigen Gesellschaft gehören auch die Kinder zu den sozial Schwachen, sind von Sparmaßnahmen besonders bedroht. Ein „Grundeinkommen für Kinder" istsomiteine der politischen Forderungen der Jungschar, etwa durch massive Erhöhung der Familienbeihilfe. Dieses Lobbying scheint mehr als notwendig, denn jedes fünfte Kind in Osterreich ist von Armut betroffen, bei den Erwachsenen hingegen nur jeder zehnte.

Nicht nur „Unterstützung für Kinder" lautet jedoch die Devise. Auch „Hilfe von Kindern" gibt es. Die „Dreikönigsaktion", für die in der Weihnachtszeit 70.000 Kinder als Sternsinger sammeln, gehört zu den größten Dritte-Welt-Aktionen in Osterreich. 130 Millionen Schilling war das Rekordergebnis 1997 - weit mehr als etwa das Medienspektakel „Licht ins Dunkel" einbringt; über 500 Projekte werden damit unterstützt.

Bewußtseinsbildung mit Kindern steht neben Spiel und Kreativität auch heute auf dem Jungscharplan. Kinderpartizipation und Kinderrechte in einer nicht immer kinderfreundlichen Gesellschaft werden nach innen und außen thematisiert.

„Dasiba! Guten Morgen, Afrika!" lautet das Österreich-weite Thema für 1997: Der vergessene Kontinent und seine Kulturen sollen den Kindern zeitgemäß nähergebracht werden. Außerschulische Bildung vermitteln - spielerisch, kreativ gehört sei jeher zum Selbstverständnis der Kinderorganisation -auch dies eine Funktion im Dienst der Gesellschaft.

15.000 Gruppenleiter betreuen die Kinder, meist ehrenamtlich, nicht bezahlt. Für sie wird in den ersten Maitagen ein großes Fest gegeben: „Birth -days" nennt sich die Veranstaltung in Salzburg. 50 Jahre sind der Anlaß, Perspektiven der Jungschar das Thema: Workshops, Events, Märkte, Gottesdienste stehen auf dem Programm; von TV und Internet über Religion und Seelsorge bis zur Suche nach neuer Weiblichkeit, respektive Männlichkeit, reicht die Palette.

Jugendminister Bartenstein schreibt der Jungschar zum Fünfziger: „Es gilt, Kindern in einer freizeit-, mode-, geld- und medienorientierten Gesellschaft so etwas wie Anhaltspunkte im Leben zu vermitteln. Kein leichtes Unterfangen ..." Den Kids von heute sind jedenfalls Erinnerungen zu wünschen, wie sie in den Lagerfeuerreminiszenzen älterer Generationen noch präsent scheinen.

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