Am heißen Schauplatz kleiner Wunder

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Reisetagebuch von Caritas-Präsident Franz Küberl von der Reise in die Demokratische | Republik Kongo - Caritas-Augustsammlung 2011 für Saatgut und Werkzeuge

Ein Lokalaugenschein: Im Vorfeld der August-Sammlung besucht Caritas-Präsident Franz Küberl den Kongo. Sein jeweiliges Tagebuch ist fast schon Tradition. DIE FURCHE bringt Auszüge.

22. Juni 2011

Nach 22 Stunden Ankunft am Flughafen Lubumbashi. Lärm und Durcheinander bei der Gepäckausgabe sind afrikanisch, die Einreiseformalitäten beinahe europäisch.

Zunächst beziehe ich Quartier bei den Salesianern, die eine beachtliche Zentrale und beachtliche Arbeit aufweisen können. Dann treffe ich die St. Josef Schwestern, Hauptpartner der Caritas Österreich in Katanga. Die Zusammenarbeit, auch unterstützt von der Europäischen Kommission und der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit, hat die Integration von Menschen mit Behinderung zum Ziel. Innerhalb von drei Jahren haben die Schwestern 1400 behinderte Kinder in das Regelschulwesen gebracht und 23 Vereine (à rund 20 Mitglieder) begleitet. Besonders bemerkenswert: Der Verein "Mapento“ (heißt auf Suaheli "Liebe“) brachte im Vorjahr den Menschen in einem Spital und einem Gefängnis selbstgemachte Seife: von Bettlern zu Gebern.Diese Nonnen beweisen, dass die Frauenorden das Rückgrat der Kirche in Afrika sind.

Danach geht es zu den Straßenkinderprojekten der Salesianer. Die Kinder können hier kochen und übernachten. Jene, die ihr Leben verbessern wollen, erhalten die Chance auf Schulabschluss und Berufsausbildung. Wir treffen Schuster- und Maurerlehrlinge, die gut ausgebildet werden.

Der zwölfjährige Lucien lebte einen Monat auf der Straße. Seine Eltern beschreibt er als "kompliziert“: "Der Vater ist links gegangen, die Mutter rechts“, sagt er. Er selbst blieb in der Mitte über. Er will Pilot werden. An die 4.000 solch "komplizierter“ Lebensgeschichten haben die Salesianer in den vergangenen zehn Jahren erfahren. Und bei jedem einzelnen Kind versucht, ein Stück besserer Lebensentwicklung einzufädeln.

Tags darauf geht es durch die Savanne in Richtung Kolwezi, daneben drei Stromleitungen, die nur die Minengesellschaften beliefern. Diese sowie "Landcrabber“ besitzen in Katanga bis zu 73 Prozent der Fläche (die Provinz hat 500.000 km2). Die Dörfer an der Kupfermine leiden an den Folgen des gesundheitsschädigenden Wassers.

Dann besuchen wir Dörfer, die in einem landwirtschaftlichen Projekt zusammenarbeiten. 1070 Familien bewirtschaften rund 1500 ha Land: bessere Anbaumethoden und Lagermöglichkeiten, breitere Produktpalette, Gemüseanbau, Ressourcenschonung. Familie Kalenga (Vater, Mutter, neun Kinder) im Dorf Kuvumbi ist eine von ihnen. Mir wird klar: Die Menschen riskieren einiges mit dieser Umstellung, die für unsere Ohren so gut klingt. Ginge sie schief - wer sollte dann Essen, Schulgeld, Medikamente bezahlen? Dass der Kulturwandel gelingt und die Bauern mit einer bis zu 100-prozentigen Steigerung der Erträge rechnen können (keine Finanzblase!), dafür sorgen die Agrarfachleute der Caritas Lubumbashi.

24. Juni 2011

Die Caritas Kolwezi hat ein dreistufiges Frauenprogramm entwickelt: 1. Jahr: Alphabetisierung, 2.Jahr: Anlegen eines Gemeinschaftsfeldes, ab dem 3. Jahr dazu die Vermarktung der Produkte.

In Kitembe besuchen wir eine der 20 zur Zeit aktiven Frauengruppen, die ungemein umtriebig ist. Im Dorf geht der Verkauf sehr gut. Wenn das einzige Auto im Dorf funktioniert, schaffen sie es manchmal auch bis Kolwezi. Die Vorteile: Die Frauen haben selber Geld (bis zu zwei Dollar am Tag) und die Gemeinschaftskasse ist Ausgangspunkt für die Finanzierung gemeinsamer Aktivitäten (Saatgut- und Geräteeinkauf usw.) Auch Mikrokredite, etwa zum Kauf eines Fahrrades, werden daraus finanziert. Die Frauen haben noch viel größere Pläne: Sie möchten eine Grundschule und medizinische Grundversorgung für ihr Dorf. Das wird zwar noch etwas dauern - aber es ist ihnen zuzutrauen.

Zeria Kasang Maurit (zehn Kinder, 48 Enkel) ist mit 78 Jahren die Älteste. Warum tut sie mit? Sie wollte selbst ein- und verkaufen und ihren Wahlzettel ausfüllen können. Und nicht von einem Wahlhelfer möglicherweise getäuscht werden.

Auf der Fahrt zum Gemeinschaftsfeld in Musompo meint man neben lastentragenden Menschen manchmal vollbepackte Esel zu erkennen. Kommt man näher, sieht man, es sind vollbepackte Drahtesel. Lasttiere sind hier unbekannt.

Auf dem Feld werden auf 2 ha Land verschiedene Gemüsesorten angebaut: In ein paar Monaten wird geerntet. Lukisi Zeteka, Chefin der Frauengruppe Umoja (heißt auf Suaheli "Einheit“) hätte gerne auch Kunstdünger. Dass viele Böden dieser Gegend vom - teuren - Kunstdünger extrem ausgelaugt sind, will sie nicht so recht hören. Jetzt lernen die Frauen Kompostieren.

Auf der langen Rückreise ein wunderbarer Untergang der feuerroten Sonne, vorher Tageslicht, das eindrücklicher ist als jeder Van Gogh. Danach holpern wir durch den Staub zurück nach Lubumbashi.

25. Juni 2011

Ein Gespräch mit Nelly Kangda, Expertin der FAO (UN-Organisation für LW und Ernährung) zeigt die Dramatik im von uns besuchten Gebiet: Jedes 5. Kind ist wegen mangelnder Ernährung in der Entwicklung zurückgeblieben, jeder 7. Erwachsene hungert. Eine Ursache ist das Gesetz, das die Rechte der Minengesellschaften über die Bodenrechte stellt. Es wird höchste Zeit, dass die "Fair Trade“-Idee auf die Rohstoffgewinnung übergreift: Gesunde Arbeitsbedingungen, faire Erträge, die in fairen Löhnen und Chancen für die lokale Bevölkerung münden.

Nach dem Gespräch geht es zum Flughafen. Wieder wundere ich mich, dass dieses wilde Durcheinander damit endet, dass ich im Flieger sitze.

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