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Rohes und Verrohtes

Ein verwahrloster Mann strauchelt; er hält sich den Bauch, er bricht zusammen, er stirbt. Im Kaufhaus, dem Ort des Geschehens, scheint das niemanden zu kümmern, und Augenblicke später - nach dem routinierten Einsatz von Reinigungskräften - ist vom "Vorfall“ schon nichts mehr zu sehen. Soziale Realitäten in einer Megacity wie Mexico City versucht Jorge Michel Grau bei seinem Erstling "Wir sind was wir sind“ auf eigenwillige Weise zu überspitzen: Er inszeniert einen Arthouse-Horrorfilm. Denn der Verstorbene ist der Alleinernährer der Familie, und Nahrung bedeutet in diesem Falle: Menschenfleisch. Es gilt nun, einen Rudelführer in der familiären Hierarchie, bestehend aus drei Teenagern und einer Mutter, zu finden. Einen, der fähig ist, die Familie zu erhalten und auf Menschenjagd zu gehen. Auf das zitierte "kannibalische Ritual“ der Familie geht der Regisseur nicht näher ein, er hält Figuren und Publikum distanziert. Es ist eine rohe Welt, die die sozialkritische, allegorische Groteske vorführt, in der Kannibalen als Beute Außenseiter auserkoren haben, geschmäcklerisch werden: Nein, meine Nutte ess ich nicht. (Nicole Albiez)

Wir sind was wir sind (Somos lo que hay)

MEX 2010. Regie: Jorge M. Grau. Mit

Francisco Barreiro. Thimfilm. 90 Min.

Taxi, Kind und Liebe

Es schüttet wie aus Schaffeln und der Vormittagsverkehr staut sich auf der Belgradbrücke. Tröstung findet Taxifahrer Gavrilo (Nebojsˇa Glogovac) durch seinen Schlagersender, der zu allem Überdruss die bevorstehende Einstellung verkündet. Ausgerechnet jetzt blutet ihm eine junge Frau (Nada Sargin) mit einer gebrochenen Nase das Taxi voll. Urplötzlich stürzt sich der Gast aus dem Taxi und von der Brücke. Im Taxi "vergessen“ hat sie ein Bündel, bei näherer Betrachtung erkennt Gavrilo: ein Baby! Des Taxlers hartes Herz erweicht, fortan kümmert er sich um das kleine Mädchen. Später entführt er sogar die Mutter aus dem Krankenhaus - und ein zartes Pflänzchen der Liebe erwächst beiden. Leider wendet sich sich die junge Frau wieder dem Kindsvater, dem Schläger Vuk (Stipe Erceg) zu. Zuletzt läutet Gavrilos Handy - die herzerfrischende Schlusswendung ist schlicht: Schön! Zwischen tragisch und komisch schwankt dieser Schicksalsreigen, der immer die Menschlichkeit seiner Figuren im Fokus behält - die Lebenslust überwiegt am Ende doch den Frust. (Rudolf Preyer)

Belgrad Radio Taxi (ˇZena sa slomljenim nosem)

D/SRB, 2010. Regie: Srdjan Koljevic. Mit Nebojsˇa Glogovac, Anica Dobra. Thimfilm. 105 Min.

Zielloses Mäandern nach der Vergangenheit

Piroska (Éva Gábor), Mitte 30 und übergewichtig, arbeitet als Stationsschwester in einem Altenheim in Budapest. Klingt nicht sehr aufregend, ist es auch nicht. Piroskas Job besteht hauptsächlich darin, die Verstorbenen ins Kühlhaus im Keller zu bringen und eines Tages glaubt sie, in einer der Toten ihre ehemalige Schulfreundin "Adrienn Pál“ zu erkennen.

Um sicher zu gehen, macht sie sich nebenbei auf die Suche, läuft aber immer wieder ins Leere. Eigentlich ist Piroska mit Kallman (István Znamenák) verheiratet, ein Tier-Besamer, der aber nie daheim ist. Mittels regelmäßiger Anrufe versucht er, Piroskas Diätplan durchzuboxen, aber die funktioniert längst auf Autopilot.

Routiniert schaufelt sie sich in ihren Schichten vor den Überwachungskameras die Mehlspeisen rein - und füllt damit die Leere, die der tägliche Tod eben so hinterlässt. Mehr als zwei Stunden lang führt die ungarische Regisseurin Ágnes Kócsis in ihrem zweiten Spielfilm durch die Welt von Piroska, und das ist eindeutig zu lange. Dabei zeigt sie Gespür für die kleinen Absurditäten des Lebens, für atmosphärische Ausstattung und die selbstbewusste Aneignung von Räumen.

Doch ebenso wie Piroska auf ihrer Suche nach der Vergangenheit ziellos mäandert, weiß Kócsis nichts mit ihren Figuren anzufangen und bald genügt sich der Film auf seiner stilisierten visuellen Ebene selbst. (Alexandra Zawia)

Adrienn Pál (Pál Adrienne)

Regie: Ágnes Kócsis. - Mit Éva Gábor,

István Znamenák. Poool. 136 Min.

Barbar in 3D

Arnold Schwarzenegger hat ihm Anfang der 80er-Jahre trashigen Kult-Statuts verliehen. Dabei feiert die Comic-Figur demnächst schon den 80. Geburtstag: Was Robert E. Haoward 1932 kreierte, wird anno 2011 in formvollendeter 3D-Action nachgefilmt. Jason Momoa gibt diesmal Conan, den Barbaren, Ron Perlman den Vater und Rose McGowan Erzfeindin Marique. Regie führte Marcus Nispel, der uns schon "Pathfinder“ und "Freitag, der 13.“ beschert hat. (red )

Conan (Conan the Barbarian)

USA, 2011. Regie: Marcus Nispel.

Mit Rose McGowan, Jason Momoa, Ron Perlman. Warner. 113 Min.

Sex statt Gefühl

Headhunterin Jamie (Mila Kunis) holt den erfolgreichen Artdirector Dylan (Justin Timberlake) von Los Angeles nach New York. Sie macht ihm die Stadt schmackhaft, überredet ihn zur Annahme des Jobs als Chef-Layouter fürs Männermagazin GQ und auch privat versteht man sich prächtig. Beziehungsmäßig sind aber beide gebrannte Kinder und so wollen sie sich nicht binden, sondern Freunde bleiben, die ganz ohne Gefühle miteinander Sex haben wie andere Tennis spielen … Wie es in Will Glucks Komödie "Freunde mit gewissen Vorzügen“ weitergeht, ist zwar vorhersehbar, doch den bestens aufeinander eingespielten Hauptdarstellern Mila Kunis und Justin Timberlake schaut man dennoch gerne zu. So offensiv wie hier hat man wohl noch selten in einer Hollywood-Komödie über Sex diskutiert, glänzend besetzt sind auch Nebenfiguren wie ein homosexueller Sportreporter (Woody Harrelson) oder Jamies Mutter (Patricia Clarkson) und für optische Schauwerte sorgen die attraktiv und ausgiebig ins Bild gerückten Metropolen New York und Los Angeles. Erst als doch noch Gefühle ins Spiel kommen und Romantik an die Stelle des Witzes tritt, verliert diese Komödie an Schwung. (W. Gasperi)

Freunde mit gewissen Vorzügen (Friends With Benefits)

USA 2011.

Regie: Will Gluck. Mit Mila Kunis, Justin Timberlake.

Sony. 109 Min.

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