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Tag und Nacht die Guillotine

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Arn 22. März 1945 war dein Gerst-hofer Kaplan Dr. Heinrich Maier im Wiener Landesgericht nach einem letzten Ruf für Christus und Österreich der Kopf vom Rumpfe getrennt worden. Gemeinsam mit den anderen Justifizierten dieses Tages warf man seinen nackten Leib in ein Schachtgrab des Wiener Zentral-friedhofes. Mit Mair schließt die Reihe jener Blutzeugen, die als Publizisten, Lyriker, Zeichner oder als Abschiedsbrieffschreiber, nach künstlerischem Ausdruck ringend, letzte Zeichen ihres Wollens für ihre Freunde und Angehörigen hinterließen.

Knapp vor der schon länger zurückliegenden Verhaftung des Kaplans, der dann bei der Wiener Gestapo und bei zeitweisem Aufenthalt im Konzentrationslager Mauthauisen besonderen Qualen ausgesetzt war, hatte ihn noch ein befreundeter Gemeindebeamter besucht. Die Tätigkeit des Geistlichen, der viel in der Wiener Gesellschaft, darunter sogar beim Stadtkommandanten, verkehrt hatte, war dem Freund aus der Gemeinde einigermaßen bekannt Er warnte Maier vor Konfidenten und empfahl ihm die typische Wiener Haltung, nur ja den Kopf einzuziehen und zu warten, bis die Entscheidung auf der großen Bühne der Geschichte gefallen sei,

und erst hernach für die Übernahme der politischen Verantwortung bereit zu sein. Der Kaplan war dafür nicht zu haben.

Ein Kurier, der Wien Anfang März 1945 verlassen hatte, berichtete den österreichischen Sozialisten in London, daß monatlich 300 bis 400 Österreicher von den Senaten der Volksgerichtshöfe in Wien verurteilt werden. Er selbst habe sich im Gerichtsgebäude aufgehalten, als innerhalb von 20 Minuten 38 Angeklagte abgeurteilt und 32 davon zum Tode verdammt worden seien. Immerhin konnte die Staatsgewalt den organisatorischen Ring des Wiener Widerstandes im Frühjahr 1945 nicht mehr in Stücke aufsprengen und einzeln zermahlen. Sie vermochte etwaige Aktionen des Untergrundes nur zu verlangsamen und abzuschwächen. Ähnlich erging es übrigens auch den Partisanengruppen in den ötztaler Alpen, in den Niederen Tauern, im Koralpengebiet und im Sälzkammergut, die nicht mehr ad personam verfolgt werden konnten, sondern nur dann umfassend bekämpft wurden, wenn sie sich zu einer besonderen Gefahr aus-wuchsen. Noch vor Jahresfrist war eine solche Gruppe bei Leoben elend zugrunde gegangen, während die Insurgenten im ötztal von Anfang an etwas mehr Glück hatten.

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