6745861-1967_08_07.jpg

Todesschuß bei Bild 313

19451960198020002020

Welche Kugel traf John F. Kennedy, welche Gouverneur Connally? Ein Film soll Aufschluss geben.

19451960198020002020

Welche Kugel traf John F. Kennedy, welche Gouverneur Connally? Ein Film soll Aufschluss geben.

Werbung
Werbung
Werbung

Seine Ärzte behaupten so überzeugend, daß der Ausschuß ihre Aussage nicht ablehnen konnte, der Gouverneur sei auf keinen Fall später als bei Bild 240 getroffen worden. Dies bedeutet aber, daß zwischen dem ersten Schuß, der Kennedy in den Hals traf, und dem Schuß, der Connally verwundete, alierhöchstens 1,8 Sekunden vergingen. Zum besseren Verständnis sei erwähnt, daß der Todesschuß bei Bild 313 abgegeben wurde. Der dritte Schuß ging anscheinend daneben. Nachdem selbst der Ausschuß keine Möglichkeit sieht, daß Oswald in nur 1,8 Sekunden einen weiteren Schuß abgeben konnte, wäre die Hypothese eines einzigen Attentäters hinfällig, wenn der Präsident und der Gouverneur nicht von derselben Kugel getroffen wurden.

Dagegen spricht auch der Zustand der Kugel. Mit diesem beschäftigt sich besonders Lane gründlich. Er wundert sich darüber, daß, obwohl das Geschoß zuerst den Hals des Präsidenten traf und darnach den Gouverneur in einer Rippe, einem Handgelenk und einer Hüfte verwundet haben soll — wobei allein in der Handgelenkwunde zirka drei gran Metall verblieben — sie nach ihrem Austritt nur 2,4 gran verloren hatte.

Um die Hypothese eines Einzeltäters zu retten, versteifte sich der Ausschuß darauf, daß es sich bei Connally um eine verspätete Reaktion gehandelt habe. Natürlich läßt sich diese Möglichkeit ebensowenig völlig abweisen, wie jene, daß Oswald mit dem Glück, das Besessenen manchmal zuteil wird, nur 2,3 Sekunden pro Schuß benötigte. Der Film gibt jedenfalls keinen Hinweis darauf, daß Connally vor 236 getroffen wurde, obwohl angenommen wird, daß, auch wenn Connally die Verwundung nicht bewußt registriert hätte, er sich unwillkürlich verraten hätte.

Jedenfalls bestreitet der Gouverneur die Möglichkeit einer verspäteten Reaktion entschieden. Er weist darauf hin, daß, da die Geschwindigkeit einer Gewehrkugel schneller als die des Schalles ist, aber er den ersten Schuß hörte, bevor er irgendetwas fühlte, es für ihn „unvorstellbar“ sei, daß er von diesem getroffen wurde. In diesen Tagen hat „Life“ dem Gouverneur den Film nochmals vorgelegt, der ihn mit einem Vergrößerungsglas eingehend studierte. Darnach erklärte er dezidiert: „Sowohl meine Frau als auch ich wissen ganz genau, daß eine Kugel die erste Verwundung des Präsidenten hervorrief und daß mich ein ganz anderer Schuß traf.“ „Niemand kann mich von dem Gegenteil überzeugen“, fügte Frau Connally hinzu.

„Life“ ließ auch den Ausschußanwalt Arien Specter zu Wort kommen. Dieser betrachtet die Tatsache, daß in der Limousine des Präsidenten kein Geschoß gefunden wurde, als unwiderlegbares Argument gegen Connallys Meinung. „Wo?“ fragt er, „fiel die Kugel hin, falls sie nicht Connally traf?“ Aber, wie „Life“ selbst erwähnt, muß diese Frage im Zusammenhang mit dem Obduktionsbefund des Ausschusses gesehen werden. Stimmt mit diesem etwas nicht, verliert sie ihren Wert.

Die Kommission ist der Meinung, daß sich das Geschoß in einer geraden Linie vom Hals des Präsidenten in die Brust des Gouverneurs bewegte. Obwohl sie dies mit genauen Abmessungen festgestellt haben will, sind die Ablesungen nicht völlig beweiskräftig, denn es könnte ja irgendeine Abweichung von der angenommenen Stellung des Präsidenten einerseits und des Gouverneurs anderseits erfolgt sein. Wenn aber dagegen die Kugel überhaupt nicht aus dem Körper des Präsidenten austrat, hätte Connally nicht getroffen werden können.

Jedoch ist der Obduktionsbefund in ein merkwürdiges Dunkel gehüllt. In einer Version berichtet der Ausschuß über die erste Verwundung Kennedys: „Das Geschoß quetschte die Bandmuskel an der rechten Halsseite, verletzte die Luftröhre und trat durch die vordere Oberfläche des Nackens aus.“

Dies lief der bis dahin von den meisten Zeitungen und auch medizinischen Zeitschriften geäußerten Behauptung zuwider, die Kugel sei nicht ausgetreten.

Jedoch, selbst die „New York Times“ kann sich irren. Irrt sich auch das FBI? Es berichtete am 9. Dezember 1963 an Präsident Johnson über die Obduktion: ..... ergab, daß eine Kugel gerade unterhalb seiner (Kennedys) Schulter, rechts von der Wirbelsäule, in einem Winkel von 45 bis 60 Grad abwärts, eintrat, daß keine Austrittsstelle da war, und die Kugel nicht im Körper war.“ In einem Ergänzungsbericht vom 13. Jänner 1964 fügte das FBI hinzu: „... ergab, daß die Kugel, die in seinen Körper eintrat, bis zu einer Entfernung von weniger als einer Fingerlänge eindrang.“

Der aufmerksame Leser wird vielleicht fragen, wieso war die Kugel nicht im Körper, wenn keine Austrittsstelle da war? Eine Kugel wurde auf einer Tragbahre gefunden. Man weiß nicht, wer auf dieser Tragbahre transportiert wurde. Es wird vermutet, daß diese Kugel bei der von den Ärzten an dem sterbenden Präsidenten vorgenommenen Herzmassage herausfiel.

Der Ausschuß, der sonst völlig von dem FBI-Bericht abhängig ist, macht sich in diesem Punkt selbständig. Der schon erwähnte Spector erklärte den Widerspruch zwischen Ausschuß- und FBI-Obduktionsbefund damit, daß die FBI-Agenten, die der Obduktion beiwohnten, sofort, nachdem die Ärzte keinen Pfad der Kugel im Körper entdeckt hatten, telefonisch Bericht erstatteten. Später hätten die Ärzte den Pfad gefunden. Bevor aber die Agenten ihre Berichtigung eingeschickt hätten, sei der Bericht gedruckt worden.

Epstein bezweifelt diese Erklärung. Der FBI-Bericht habe keinesfalls früher als elf Tage nach der Obduktion gedruckt werden können. Außerdem — wieso habe der zwei Monate später gedruckte Zusatzbericht an dieser Version festgehalten? Nach eingehender Untersuchung der verschiedenen ärztlichen Befunde kommt er zu dem Schluß, daß der FBI-Bericht richtig sei und „ein hauptsächlicher Aspekt der Obduktion über zwei Monate nach dieser geändert wurde.“ Dies bedeute ..... daß die Schlußfolgerungen des Warren-Ausschusses als Ausdruck politischer Wahrheit gewürdigt werden müssen.“

In Fairneß gegenüber dem Ausschuß muß darauf hingewiesen werden, daß ihm der Originalbefund nicht vorlag. Die Ärzte, die vor ihm aussagten, waren nicht mehr im Besitz der ursprünglichen Photographien und Röntgenbilder. Die Originale waren im Besitz der Kennedy-Familie und wurden von dieser erst vor kurzem dem Nationalarchiv übergeben, wobei sie sich die Kontrolle über die Leute, denen das Material zugänglich gemacht wurde, vorbehalten hat. Man fragt, warum der Ausschuß die Wünsche der Kennedys über die Suche nach geschichtlicher Wahrheit stellte. „Der Oberste Richter (Warren) war sehr darauf bedacht, die Gefühle der Familie zu schonen“, gab Mr. Spector an.

Diese Tatsache hat den Gerüchten, nach denen der ermordete Präsident an der Addisonschen Krankheit litt, Auftrieb gegeben. Könnte dies ein Grund sein, warum sich die Familie mit der unzulänglichen Aufklärung durch den Ausschuß abfindet?

Indessen wird immer lauter eine neue Untersuchung gefordert. So weigerte sich auch der Bezirksstaatsanwalt für New Orleans, Garrison, seine Ermittlungen im „Fall Kennedy“ an die Bundesbehörden abzutreten. Garrison vertritt die Ansicht, daß Kennedy das Opfer eines Komplotts wurde, und kündigte eine Reihe bevorstehender Verhaftungen an.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung