Ein Kind aus "toter" Mutter

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Zum Jahreswechsel kam in Spanien ein Knabe zur Welt, der Sohn einer hirntoten Frau. Das frühgeborene Kind wog 1,3 Kilo und konnte selbständig atmen. Erstaunlich, daß die Medien das Ereignis kaum registriert haben, wenn man bedenkt, welcher Rummel 1992 um das "Erlanger Baby" stattfand. Damals wuchs in der Erlanger Klinik fünf Wochen hindurch ein Kind in einer hirntoten Frau heran. Allerdings überlebte es die plötzlich eintretende Spontangeburt nicht.

1992 wurde aber noch wochenlang in der Öffentlichkeit die Frage debattiert: Darf man eine hirntote Frau nur deswegen an den Geräten hängenlassen, weil sie ein noch lebendes Baby im Schoß trägt? Diskussionsrunden, Gespräche und Kommentare in den Medien konnten die Frage allerdings nicht wirklich klären.

Und sie scheint auch nicht eindeutig zu beantworten. Denn zwei fundamentale Forderungen stehen einander in einem solchen Fall gegenüber. Auf der einen Seite ist alles zu unternehmen, um das ungeborene Kind zu retten, das ab dem Moment seiner Empfängnis ein unbedingtes Lebensrecht besitzt. Jeder Aufwand ist aus dieser Sicht gerechtfertigt.

Ebenso unbedingt ist aber auch die personale Würde der Mutter zu achten, die nicht zu einer Gebärmaschine degradiert werden darf, quasi zu einer durch Geräte funktionstüchtig erhaltenen erweiterten Gebärmutter.

Im Fall des spanischen Babys war die Situation allerdings einfacher zu beurteilen als beim "Erlanger Baby" vor acht Jahren. Die Mutter hatte - noch bevor sie das Bewußtsein verlor - den Wunsch geäußert, man möge ihr Kind retten - eine Bitte, der höchste Achtung zu zollen ist und die manche Ärzte aus dem Mund der drogenabhängigen und mit Hepatitis B und C infizierten Frau nur mit Kopfschütteln aufnahmen.

Jetzt ist also Freude über einen weiteren Erdenbürger angesagt. Aber offene Fragen bleiben: Wie rechtfertigt eine Gesellschaft, die in diesem Einzelfall mit enormem Aufwand das Leben eines Kindes rettet, die Tötung von Millionen Kindern im Mutterschoß durch Abtreibung? Oft werden ja sogar Kinder, die schwerer als 1,3 Kilo sind, noch umgebracht, nur weil sie behindert sind.

Und wieder einmal stellt sich auch die Frage nach der Legitimität des Hirntodes: Wie kann man jemanden, der imstande ist, zwei Monate hindurch als Lebensraum für ein heranwachsendes Kind zu dienen, für tot erklären, um ihm Organe zu entnehmen?

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