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Abdrehen - oder doch nicht?
Seit bald zwei Wochen liegt eine junge Frau in der Erlanger Klinik. Ihr Zustand: gehirntot. Dennoch wird sie am „Leben" erhalten, trägt sie doch ein Kind unter dem Herzen. Soll man es mit der Mutter sterben lassen oder die Frau um seinetwillen maschinell „funktionsfähig" erhalten? Die Frage bewegt viele. Ein Fressen für Sensationsmedien. Der deutsche Fernsehsender RTL erhob in einer Blitzumfrage: Eine Mehrheit der Deutschen ist für's Abschalten. Eine Tragödie wird zum Spektakel.
„Was würdest du tun?" Die Frage wird herumgereicht und debattiert. „Also was? Der Arzt muß ja auch entscheiden."
Offen gestanden: Ich bin ratlos. Da die Sache schon so weit gediehen ist, hoffe ich, daß das Kind überleben, keinen Schaden nehmen und gute Eltern finden möge. Das ist keineswegs gewiß, obwohl es Präzedenzfälle gibt.
Ein eindeutiges Ja zu dieser Art von Vorgangsweise zu sagen, fällt mir schwer. Wer kann sagen, wie die Mutter den Vorgang erlebt? Sie bleibt ja ein Mensch, obwohl sie wie eine Gebärmaschine, über die man einfach verfügt, behandelt wird. Selbst wer für das unbedingte Lebensrecht ungeborener Kinder eintritt, sollte vorsichtig mit einer Ferndiagnose des Falles sein. Denn bei diesem Geschehen findet eine totale Instrumentalisierung der Mutter statt. Sie wird zum Werkzeug gemacht - was eigentlich mit ihrer Würde als Person mit Leib und Seele unvereinbar ist.
Vor allem aber: In einer Gesellschaft, in der gesunde, ungeborene Kinder gesunder Mütter zu Zigtausenden gezielt getötet werden, wirkt dieser gigantische Aufwand mehr als fragwürdig.
Ich weiß schon: Wer ein Leben rettet, rettet die Welt, weil jeder Mensch unsagbar kostbar ist. Aber mit großer Publicity, enormem Aufwand und ohne wirklich zu wissen, was man tut, ein Kind zu retten, während man den Tod von Tausenden gleichgültig hinnimmt, das ist - gelinde gesagt - schizophren.
Was bleibt also? Für Mutter und Kind zu beten und aus diesem besonderen Fall nur ja keine Regel zu machen.
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