"Schrecklich langer Weg zu mehr Gerechtigkeit"

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Jahrelang engagierte sich die Britin Lesley Roberts im Kampf gegen die Ausbeutung menschlicher Arbeitskraft.Doch dann wechselte sie die Fronten und wurde Mitarbeiterin jenes Textilkonzerns, den sie zuvor lange erbittert bekämpft hatte. Die Geschichte einer Wandlung.

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Jahrelang engagierte sich die Britin Lesley Roberts im Kampf gegen die Ausbeutung menschlicher Arbeitskraft.Doch dann wechselte sie die Fronten und wurde Mitarbeiterin jenes Textilkonzerns, den sie zuvor lange erbittert bekämpft hatte. Die Geschichte einer Wandlung.

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Sechs Jahre lang stand sie an der Spitze einer der bedeutendsten Nicht-Regierungsorganisationen auf diesem Gebiet, der Initiative "antislavery international". Als Direktorin führte sie unzählige Verhandlungen mit den Chefs der "Gegner", multinationale Konzerne, die weltweit satte Gewinne auf Kosten der Rechte von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern - oftmals auch Kinder - einfahren.

1998 tat Lesley Roberts einen erstaunlichen Schritt: sie kündigte bei "antislavery international'' und wurde Mitarbeiterin einer der gigantischen Firmen, mit denen sie jahrelang gestritten hatte. Des Rätsels Lösung: sie nahm ihre alte Aufgabe an den neuen Arbeitsplatz mit. Als "business standards manager" sorgt sie jetzt beim englischen Unternehmen "Pentland" dafür, dass die Produktion des Konzerns (Textilien und Schuhe) unter menschenwürdigen Bedingungen vonstatten geht. Eine Orientierung dafür liefert ein "base code" von Kriterien für "saubere" Arbeit, dem sich Pentland als Mitglied einer seit zwei Jahren bestehenden lnitiative verpflichtet hat, der "Ethical Trading Initiative" (ETI).

ETI ist ein in London situierter weltweit einzigartiger Verbund von Firmen, Nicht-Regierungsorganisationen und Gewerkschaften mit dem Ziel, internationale Beschaffungsketten für Firmen so zu organisieren, dass wenigstens minimale Arbeitnehmerrechte gewährleistet sind. Dazu zählen der freie, nicht erzwungene Zugang zur Arbeit, das Recht auf gewerkschaftliche Vertretung und kollektive Verhandlungen, die Gewährleistung von Sicherheits- und Hygiene-Standards, das Verbot von Kinderarbeit, existenzsichernde Löhne, die Einhaltung gesetzlicher Arbeitszeitregelungen, das Recht auf Gleichbehandlung unabhängig von Rasse, Geschlecht, Religion, nationaler Herkunft, Alter, sexueller Orientierung, Gewerkschaftsmitgliedschaft oder politischem Engagement, das Recht auf ein gesetzlich definiertes reguläres Anstellungsverhältnis sowie auf gewaltfreie, menschenwürdige Behandlung. Wer sich zur Einhaltung dieser Kriterien verpflichtet - entweder auf der Grundlage eines entsprechenden firmeneigenen "code of conduct" oder durch Übernahme des ETI-base-code - unterliegt der strengen Kontrolle durch die Organisation. Spezielles Personal nach dem Muster des "business standard managers" sorgt für die Abwicklung dieses neuen "Geschäftszweigs". Rund 18 Firmen leisten ihn sich bereits, darunter Marks & Spencer, Levi Strauss & Co, The Body Shop, Sainsbury und Monsoon.

Öffentliche Kritik Für den österreichischen Politologen und Betriebswirt Bernhard Mark-Ungericht kein Wunder: "Wenn Unternehmen in Zukunft überleben wollen, müssen sie die wachsenden gesellschaftlichen Ansprüche an die Ökonomie ernst nehmen". Immer stärker, so der Experte am Institut für Internationales Management der Uni Graz, wachse in der Zivilgesellschaft der Widerstand gegen menschenverachtende wirtschaftliche Praktiken. Während Politik und überkommene Institutionen unter dem Druck der Wirtschaft an Kraft verlören, formierten sich zivilgesellschaftliche Akteure unter Zuhilfenahme neuer Medien-Technologien - allen voran das Internet - rasch, effizient und weltweit.

Schon mehr als einmal haben sie ihre Macht unter Beweis gestellt, ihr empfindlichstes Instrument eingesetzt: Imageschädigung - etwa im Fall der Klage von McDonald's gegen eine englische Kindergärtnerin und einen Postbeamten, die McDonald's unlauterer Produktionspraktiken beschuldigt hatten: McDonald's verzichtete auf weitere Klagen, nachdem das Unternehmen monatelang in der Öffentlichkeit einschlägig diskutiert worden war und die lnternetseite mit Informationen zum Fall allein in den ersten vier Wochen zwei Millionen Zugriffe verzeichnete.

Die Entstehung der Ethical Trading Initiative verdankt sich unter anderem diesem wachsenden Druck zum Dialog mit kritischen Konsumenten, einem "Risikodialog", wie Mark-Ungericht meint. Auch die britische Regierung hat seiner Ansicht nach das Gebot der Stunde erkannt. Indem sie ETI finanziell und ideel unterstütze, signalisiere sie ein konkret beschränktes Ja zu Kapitalismus und Globalisierung - nach dem Motto "wenn schon, dann unter genau beschreibbaren und kontrollierbaren Bedingungen".

In Österreich arbeiten diverse Nicht-Regierungsorganisationen in eine ähnliche Richtung, unter anderem der österreichische Zweig der clean-clothes-Kampagne oder etwa eine Initiative in Oberösterreich, die unter dem Namen "weltumspannend arbeiten" für konkrete Projekte bestehende Kräfte wie Gewerkschaft, kirchliche Gruppen und NGOs zu vernetzen sucht.

Harte Basisarbeit, die auch Lesley Roberts vertraut ist: "Es dauert schrecklich lang, Vertrauen und Respekt zwischen den verschiedenen Gruppen aufzubauen. Das ist in Großbritannien so und ist in Österreich so. Und wenn wir das jetzt übertragen auf Indien oder Zimbabwe oder Costa Rica oder China, wo es die Leute nicht gewohnt sind, in derartigen Gruppen aufzutreten, wo es nicht einmal eine offene Diskussion gibt, dann kann man eine Vorstellung davon bekommen, mit welchen Problemen wir es zu tun haben."

Internet-Adressen Weltumspannend arbeiten: weltumspannend.arbeiten@oegb.or.at Postadresse: 4020 Linz, Wienerstraße 2 clean clothes: www.oneworld.at/cleanclothes Ethical Trading Initiative (ETI): www.ethicaltrade.org

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