6720777-1965_11_15.jpg
Digital In Arbeit

Turbulent und Uberspannt

Werbung
Werbung
Werbung

Dem Volkstheater ist für seine Aufführungen in den Außenbezirken die Entdeckung eines in Wien so gut wie unbekannten Goldoni gelungen. Der Venezianer bezeichnete in seinen Memoiren die Komödie „La donna di garbo“, die in der deutschen Ubersetzung den Titel „Die Kunst, es jedem recht zu machen“ erhielt, als sein Lieblingsstück. Vielleicht weil die Zofe Rosaura mit ihren blitzenden und reschen Reden eine so appetitliche Person ist, eine Rolle, die Goldoni für eine Lieblingsschauspielerin geschrieben hat. Indem Rosaura in einer recht anrüchigen, geldgierigen Familie allen nach dem Mund redet, behält sie wie ein Puppenspieler die Fäden in der Hand, bekommt am Ende ihren flatterhaften, treubrüchigen Florindo, stiftet in aller Eile zwei weitere Ehen, sagt rasch noch allen die Wahrheit ins Gesicht und verkündet als der Weisheit letzten Schluß, ohne moralisierend zu wirken, daß nur der Redliche verdiene, geliebt zu werden, und des Lebens kostbarstes Gut die Ehre sei — in der morbiden Gesellschaft des venezianischen Rokokos von damals immerhin bemerkenswert. — Das Problem, Goldoni zu spielen (natürlich können das perfekt nur Italiener), besteht darin, den Ubermut und das turbulente Tempo dieser Spiele zwischen Stegreifposse und Charakterkomödie durch Disziplin zu kontrollieren. Goldoni, dem jede Übertreibung verhaßt war, ist kein Possenreißer und Schwankroutinier — was oft übersehen wird. In der Inszenierung von Wolf Neuber hält nur Susi Peter in anmutiger Lebendigkeit das Gleichgewicht und überspannt nicht mißverstandene Commedia-dell'arte-Effekte.Viktor Gschmeidler, Edd Stavjanik, Helmut Lex taten des Guten schon zuviel. Das Publikum, das schon lacht, wenn ein Hühnerbein auf offener Szene verschmaust wird, klatschte lebhaft.

Der Engländer Ronald Duncan (Jahrgang 1914), unter anderem Herausgeber der Schriften Mahatma Gandhis, beteuert von seiner zweiaktigen Komödie „Der Katalysator“, daß er sie „nicht für unmoralisch“ halte. Der Autor meint weiter, daß das Stück, das schon einige Städte schockiert habe, Wien, die Stadt Freuds und Weiningers, „eigentlich nicht schok-kieren“ sollte. An drei Personen, zwei weiblichen und einer männlichen, wird demonstriert, daß jeder Mann (nach Weininger) mehr oder weniger „W“, jede Frau mehr oder weniger „M“ in sich trage. Daraus ergibt sich nach Duncan, daß „Liebe kein Fall von Entweder-Oder“ sei, sondern von Sowohl-Als-auch. Am Ende muß sich der Mann hier damit abfinden, „zwei Frauen zu lieben und von zwei Frauen geliebt zu werden“, die gleichzeitig in Liebe zueinander entbrennen. Eine schwierige Situation, die nach des Autors Meinung „die Hölle“ sein wird und wofür es keine Lösung gebe, weshalb auch ein dritter Akt fehlt. Ein recht heikles und abwegiges Problem, vom Autor in ein eher mondänes und oberflächliches Palaver gekleidet und unter der Regie Hermann Kutschers von Marion Degler, Marianne Chapuis, Peter Neusser in einem höchst extravaganten Bühnenbild und dementsprechenden Kostümen (Herta Hareiter) im Konzerthauskeller der Josefstadt auch so gespielt.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung