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Vom blonden Eckbert zu Undine
„Undine” von Jean Giraudoux in der Josefstadt: Das Publikum strömte herbei, um das erste Wiener Auftreten von Johanna von K o c z i a n zu genießen, und kam auf seine Kosten. Vielleicht ist es gestattet, neben dem sehr Artifiziellen, sehr Gekonnten dieser Aufführung, mit der gleichzeitig der Regisseur Dietrich H a u g k in Wien debütiert, das Phänomen dieser Dichtung kurz anzusprechen. Die deutsche Romantik ist spät, seit 1820, seither aber in immer neuen Wellen, in Frankreich zu bedeutsamer Strahlung gekommen Französische Dichter unserer Zeit, nicht zuletzt die Surrealisten um Andrė Breton, bekennen sich als ihre Schüler. Innerhalb dieser Bewegung nimmt Giraudoux, der in Deutschland studiert hat, einen besonderen Rang ein. Er überträgt eigenwillig und mit sehr eigener Note Motive der deutschen Romantik in jene tief pessimistische, zuletzt defaitisti- sche Sphäre, in der ihm die letzten Menschen erscheinen. Eros und Tod, romanische, durchaus französische Ironie und Selbsterhellung moduliert dieser Franzose mit den alten, archaisch-magischen Elementen, die von der deutschen Romantik aus dem Volksgut der Sagen und Märchen gewonnen und neu verdichtet wurden. Friedrich de la Motte-Fouque hat durchaus biedersinnig, fern der Kunst und Hinterhältigkeit, mit der etwa ein Tieck seinen „Blonden Eckbert” umspann, die Ballade von der schönen Nixe Undine erzählt, die sich dem Ritter Wittenstein vermählt. Diese Verbindung kann nicht gut ausgehen. Was in der Mär nachzulesen ist. Giraudoux verwendet die romantische Geschichte als ein Gleichnis, als ein Mittel, um etwas vom Abgründigen, Schillernden, Unheimlichen des Menschenwesens anzusagen, umspielt dieses aber gleichzeitig mit hellsten Lichtern der Parodie und einer gallischen Ironie. In der Aufführung der Josefstadt wird ein Kunstmärchen vorgespielt. Das ist nicht wenig. Es muß aber gestattet sein, darauf hinzuweisen, daß Giraudoux mehr ist. Johanna von K o c z i a n ist eine erfolgsichere Schauspielerin, die das Make-up des ,,Gemüts” vollendet beherrscht. Als Ritter Hans von Wittenstein kann sich Peter Arens nicht recht neben ihr behaupten. Da sind Sigrid Marquardt, Erik Frey und Hans Ziegler als Märchenmaid und Märchenkönige mit Vorrang zu nennen. Sehr geschickt gemacht sind die Bühnenbilder und Kostüme von Leni Bauer-Ecsy und die Musik von Gustav Z e 1 i b o r. Der Publikumserfolg dieser Aufführung ist groß: sie ist, im spezifischen Sinne, ein Produkt des technischen Könnens unserer Zeit. Nur leise sei nochmals erinnert: Giraudoux und das moderne Theater können noch mehr …
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