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Von Macht und Recht

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GEIST UND GESCHICHTE. Von der Reformation bis iur Gegenwart. Gesammelte Aufsätse. Von Otto V o s s I e r. Piper & Co., München, Brosen., die Annoncen beginnen auf der Rückseite der letsten Textselte. 325 Selten. Preis 10,80 DM.

So geistreich diese Aufsätze auch sind, darf man doch an dem Sinn des Buches gelinde Zweifel hegen. Nicht darum, weil die Aufsätze über gar so verschiedene Gegenstände reden — wir möchten doch etwa Chestertons Essays über Götter und Zündhölzer, Schweine und Gesellschaftssysteme nicht missen. Sondern darum, weil zwei der wichtigsten in der Hitler-Zeit erschienen sind. Gewiß dient es dem Verfasser zur Ehre, Aufsätze aus jener Zeit einfach abdrucken zu können, doch je besser wir wissen, wie lückenhaft und verschlüsselt man damals reden mußte, um so weniger möchten wir damalige Publikationen in der heutigen Zeit als brauchbare Darstellungen behandelt wissen.

Auf zwei der anderen Aufsätze möchten wir doch gerne eigens verweisen, da sie die deutsche Geschichte beleuchten. „Herzog Georg der Bärtige und seine Ablehnung Luthers“ zeigt uns einen gewissenhaften, reichstreuen, reformwilligen und katholischen Fürsten der Reformationszeit. „Bismarcks Ethos“ polemisiert gegen diejenigen, die Bismarck — sei es nun demokratisch

verdammend oder faschistisch lobend — als politischen Immoralisten darstellen. Es fällt dem Autor leicht, nachzuweisen, daß Bismarck sehr wohl unter einem Sittengesetz stand. Ja, aber was war das für ein Gesetz? Die absolute Verpflichtung auf den eigenen Staat: also beiläufig das Ethos des (Thea von Harbouschen) Hagen von Tronje — mit dem Unterschied allenfalls, daß der bis an das blutige Ende der leiblichen Person seiner Könige verpflichtet blieb, während Bismarck für seine preußisch-deutsche Staatsräson allerletzten Endes auch den zollerschen König beiseite zu schieben bereit war. Dieser seiner Treue opferte er gewiß auch sich selbst — aber erst recht alles andere, jedes Prinzip, jedes — für unsere Augen — höhere Interesse: wie eben jener Hagen. Quod erat demonstrandum: etwas anderes behauptet auch ein ernsthafter Gegner Bismarcks nicht. Denn daß er tausendjährige Fürstenhäuser beraubt hätte, um mehr Bordeaux trinken zu können, steht ja nicht zur Debatte. So pflichten wir denn dem Autor bei.

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