Dieser FURCHE-Text wurde automatisiert gescannt und aufbereitet. Der Inhalt ist von uns digital noch nicht redigiert. Verzeihen Sie etwaige Fehler - wir arbeiten daran.
Wienerwald
Auf dem Vermessungspunkt 431 nächst der Rudolfshöhe, oberhalb Purkersdorf, haben Gemeinden, und Einzelpersonen dem „Retter des Wienerwaldes“, späterem Bürgermeister von Mödling und österreichischen Reichsratsabgeordneten, Josef Schöffel, ein Denkmal errichtet. In den Jahren zwischen 1870 und 1872 ging es um das Holz von 320 Quadratkilometer. Heute, da man glauben könnte, es gebe Gesetze und Schreibtische genug, diese zu verwalten, geht es um weit mehr: um den gesamten Fragenkomplex der Siedlung bis 23 Kilometer von der Stadtmitte aus (Eichgraben). Heute, 8 5 Jahre nach Schöffeis Kampf, wird — welche Ironie — im Naturhistorischen Museum eine Enquete zum Schutze des Wienerwaldes abgehalten, wird von der Jugendpsychologie bis zu wirtschaftlichen Problemen von Fachleuten gesprochen, ziehen bedrückende Lichtbilder am Auge vorüber. Es ist nicht zu leugnen — und ieder Sonntagsspaziergänger kann es überprüfen —, daß nicht nur die Grünflächen, die um die Jahrhundertwende in das Häusermeer hereinreichten, verschwunden sind; daß vielmehr wie ein Schimmelpilz eine nicht immer geschmackvolle und manches Mal geradezu abstoßende Bebauung sich in den Wienerwald hineinfrißt. Ist es aber ein Wunder? Wenn die Axt, ungeachtet der Tage des Baumes, in Wien wütet (Modenapark, vor dem Landesgericht. Auhofstraße, Ringstraße vor der Oper — wir haben ja oft darüber geschrieben), hat man eben auch Appetit auf das Naherholungsziel der Wiener bekommen, verbaut die Michaelerwiese, die Hügelwiese (jene Pötzleinsdorf, diese Salmannsdorf), knackt bei Hadersdorf eine ganze Lindenallee und 200jäh-rige Bäume, rodet am Steinriegel in der Gemeinde Kirchbach und so fort. Das seltsamste aber ist, daß von den 1952 grundbücherlich eingetragenen Parzellen nur zwölf Prozent ganzjährig bewohnt sind. In Breitenfurt sind von 1952 Baustellen 600 nicht verbaut. Hier stimmt etwas nicht. Sehr wahrscheinlich ist von gewissenlosen Spekulanten mit allen Mitteln der Beredsamkeit den Menschen, die weg wollen aus Gestank und Lärm, die sich ein Heim erbauen wollen, etwas vorgegaukelt worden, das sich hernach (Licht, Wasser) nicht ohne Beihilfe der öffentlichen Hand verwirklichen läßt. Hier ist ein großes Konzept nötig, das auch die Anlegung von Industriebauten so plant, daß man Siedler ohne Gefährdung der Gesundheit einweisen kann und es ihnen nicht so geht wie den Bäumen auf der Brunner Heide, die von Industrieabgasen vernichtet werden. Und es wäre nötig, daß man nicht nur schöne Reden hält und mit Zwang (wie demnächst auf dem Wilhel-minenberg), sondern mit. gutem Beispiel vorangeht (denn Wien hat selbst bei Neuwaldegg und im Haltertal das Grün angebohrt).
„Wienerwald, Wienerwald, zaub'rischer Klang“, hat Adolf Hirsch voreinstens gedichtet und komponiert. Es ist etwas zuviel „Zauber“ heute in dem Klang.
Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.
In Kürze startet hier der FURCHE-Navigator.
Steigen Sie ein in die Diskurse der Vergangenheit und entdecken Sie das Wesentliche für die Gegenwart. Zu jedem Artikel finden Sie weitere Beiträge, die den Blickwinkel inhaltlich erweitern und historisch vertiefen. Dafür digitalisieren wir die FURCHE zurück bis zum Gründungsjahr 1945 - wir beginnen mit dem gesamten Content der letzten 20 Jahre Entdecken Sie hier in Kürze Texte von FURCHE-Autorinnen und -Autoren wie Friedrich Heer, Thomas Bernhard, Hilde Spiel, Kardinal König, Hubert Feichtlbauer, Elfriede Jelinek oder Josef Hader!