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Gräfin Gundula und Raimund

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Die Grazer hängen an Gundula Janowitz als einer der Ihren und sonnen sich ein bißchen mit im Weltruhmglanz der jungen Sängerin. Diese wiederum kommt gerne in ihre Heimatstadt zurück — ein Umstand, der es den Grazern ermöglicht, noch vor dem Wiener oder Düsseldorfer Publikum zu erleben, wie die Janowitz eine ihr noch neue Partie zum erstenmal gestaltet. — Vor kurzem wurde das Grazer Publikum Zeuge davon, wie gut der Künstlerin nun nach dem Pagenkleid des Cherübin — dem sie schon ein bißchen zu entwachsen beginnt — die festliche Robe der Gräfin Almaviva steht. Die makellose Schönheit ihrer Stimme und die mühelose Beherrschung der Technik machten ihre gesangliche Leistung zu einem Hochgenuß. Daß eine so junge Sängerin nichts von der larmoyanten Fadheit so mancher Figaro- Gräfinnen haben werde, war klar. Gundula Janowitz war eine jugendliche, in ihrer Grundstimmung fröhliche Frau, die an der Untreue des Grafen wirklich zu leiden scheint, ohne dabei in vornehmen Trübsinn zu verfallen. Leider war auf dieser Grazer „Figaro-Probenbühne” die Frau Gräfin so ziemlich das einzige, was zu gefallen vermochte. Fritz Zechas Inszenierung des „Figaro” ist nun drei Jahre alt, und man glaubte ihr etwas Gutes damit zu tun, daß man sie aus dem Opernhaus in die Intimität des Schauspielhauses verlegte. Die auf einen Sozialrevolutionären Ton (in einiger Anlehnung an Sellner) abgestimmte Inszenierung wurde nun durch die Transferierung ins kleine Haus und durch eine „Adaptierung” (Andrė Diehl) so verwässert, daß man den Eindruck hatte, einer besonders „neckisch” tuenden Aufführung einer Spieloper von Lortzing beizuwohnen, aus der jede geistige Spannung geflissentlich verbannt worden war. Ein derb und indezent musizierendes Orchester und eine Reihe von ungeübten Nachwuchssängern taten ein übriges, den schlechten Eindruck zu verstärken. Um so kostbarer wirkte allerdings — in dieser unzulänglichen Fassung — die echte Perle Gundula Janowitz.

Glücklicherweise gibt es aus dem Grazer Schauspielhaus auch Erfreulicheres zu berichten. Helmuth Ebbs gelang eine köstliche und bezaubernde Gestaltung der „Gefesselten Phantasie”. Allerdings fiel es schwer, in dieser Interpretation den Dichter Ferdinand Raimund zu finden, denn der Stil der Aufführung war eindeutig von Johann Nestroy. Raimunds Florareich braucht als Kontrast das Vorstadtbierhaus mit dem Harfenisten Nachtigall. Diese barocke Antithetik hatte der Regisseur gründlich abserviert. Statt ihrer warf er ein buntschillerndes Netz von Ironie über das gesamte Werk. Auf die Schlichtheit des Märchentheaters mußte man also verzichten; denn statt des naiven Zauberstücks stand da ein mit Überraschungseffekten nur so gespicktes Spiel voll Nestroyscher Skepsis, voller Parodie und voll augenzwinkerndem Charme. Vielleicht ist das die einzige Möglichkeit, dieses schwächere Werk auch an Bühnen außerhalb Wiens noch am Leben zu erhalten. Die Deutung von Helmuth Ebbs ist jedenfalls ungewohnt, höchst anregend und amüsant. Die duftigen und humorigen Dekorationen Jahrens und die spritzigen, farbenfrohen Kostüme H. Warten- eggs hoben die an sich guten Schauspielerleistungen (Anton Lehmann, Libgart Schwarz) noch beträchtlich.

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