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„Die Liebe der Danae” in Graz

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Über die Problematik der „Grazer Sommerspiele”, die heuer besser „Reprisenspiele” heißen sollten, wurde an dieser Stelle schon öfters gesprochen. Wir werden nach ihrem Abschluß im Juli — im Zusammenhang mit einem Bericht über den Verlauf der Veranstaltungsreihe — auf diese Problematik zurückkommen. Heute sei nur der Erstaufführung der letzten Oper von Richard Strauss gedacht, mit der die Sommerspiele 1964 im Opernhaus eröffnet wurden. Die Anwesenheit des Bundespräsidenten, des Unterrichtsministers und anderer Prominenz unterstrich die bedeutende Tat der Grazer Oper, anläßlich des Strauss-Jahres neben fünf Bühnenwerken des Meisters auch die selten gespielte „Liebe der Danae” auf das Programm der Sommerspiele gesetzt zu haben.

Bekanntlich erlebte diese „heitere Mythologie”, die noch auf einen Entwurf Hofmannsthals aus dem Jahr 1920 zurückgeht und von Joseph Gregor in die heutige textliche Form gebracht wurde, ihre inoffizielle Uraufführung vor fast genau 20 Jahren in zwei als „Generalprobe” deklarierten Vorführungen, die von den abgesagten Salzburger Festspielen im Jahre 1944 übriggeblieben waren. Acht Jahre darnach holte Clemens Krauß die offizielle Uraufführung in Salzburg nach. Daß das Werk seitdem nur an ganz wenigen Bühnen gegeben worden ist, mag seinen Grund nicht nur in den Schwierigkeiten einer Realisierung haben, sondern mehr noch darin, daß das schöpferische Ingenium des Komponisten in dieser Partitur nicht mehr in der alten Frische und Überzeugungskraft früherer Werke zu walten scheint. Dennoch ist diese Musik, die beinahe wie eine zusammenfassende Überschau über die Schichten der Strauss’schen Lebenswerke wirkt, noch immer gesegnet mit reizvollen. kammermusikalischen Delikatessen und dem breiten Strömen einer üppigen.

Melodik, auffallend ist aber auch die deutliche Annäherung an die Tonsprache Wagners, die im Libretto ihre — ver- , mutlich unfreiwilligen — Parallelen fin- , det. Gregors Text leidet neben recht j banalen Wendungen vor allem an der unklaren Führung der Handlung, die die Midas-Sage in nicht eben geschickter Weise mit dem Danae-Mythos verbindet und überdies noch die von liofmannsthal geplante ironische Betrachtungsweise neben statt über den pathetischen Ernst der Mythologie stellt. Dramaturgisch daneben geraten ist vor allem die lange Schlußszene, die zu allem Überfluß noch den Maja-Mythos bemüht und mit Jupiters Abschied auch inhaltlich in etwas penetrante Wagner-Nähe gerät.

Aus den divergierenden Elementen der Handlung ein Ganzes zu machen, konnte auch der Grazer Inszenierung Karl-Heinz Haberlands nicht gelingen. Ihr großer Vorzug aber bestand darin, die ganze Oper in ein helles, freundliches Licht zu tauchen, das Pathos auf das unumgänglich Nötige zu beschränken und manche Szenen mit — vielleicht zu sehr — farcenhaften Zügen im Sinn einer Offenbachiade anzureichern. Ein Gutteil des Erfolges geht auf Konto der prächtigen, eigenwilligen Dekorationen Heinz Ludwigs und der vorzüglich funktionierenden Technik, die die Bühnenzaubereien zu einem Genuß für den Zuseher werden ließ. Berislav Klobu- car hat das Orchester zu einer Höchstleistung animiert: Schönheit und Fülle des Klanges waren ebenso überzeugend wie die filigrane Zeichnung der Details. Die Inszenierung kam mit nur einem Gast aus: Marianne Leber aus Wiesbaden gab sehr kultiviert die Danae; Rudolf Constantia bewältigte erstaunlich gut die schwierige Partie des Jupiter, hervorragend war das Quartett der Königinnen, nur detn Midas von Claude Hector fehlte es an tenoralem Glanz.

Ein paar Wochen vor dem Beginn der Sommerspiele ging Sartres Atridenstück, „Die Fliegen”, über die Bühne des Grazer Schauspielhauses. Nun, zwei Jahrzehnte nach seiner Entstehung, zeigt sich, daß dieses erste dramatische Manifest der Sartreschen Existentialphilosophie einiges an Zugkraft eingebüßt hat. Der Zuschauer hat heute aus verschiedenen Gründen kaum noch Lust, sich, in dem Maß, wie es nach Kriegsende geschah, mit der Lehre, die Sartre von der Bühne verkündet, auseinanderzusetzen. Das Publikum hielt sich also an die starke dramatische Wirkung, die von einigen Szenen des Werkes ausgeht, und die der Regisseur, Fritz Zecha, auch zu großartigem theatralischem Leben erweckt hatte.

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