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Das Schicksal der „Danae“

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Vielleicht ist die in jeder Beziehung etwas schwierige Vorgeschichte dieser .Welturaufführung" von Richard Strauß' einziger, bisher noch nicht offiziell der Welt übergebenen Oper .Die Liebe der Danae", die soeben mit allen Anzeichen eines glanzvollen künstlerischen Ereignisses und als unbestreitbarer Höhepunkt der diesjährigen Festspiele in Salzburg herauskam, nicht mehr allgemein bekannt,' Sie gleicht einem Präludium in ziwei Teilen, die beide der sensationellen, aktuell- vergänglichen Note nicht entbehren.

Künstlerisch bietet sich die .Danae"-Vorgeschichte etwa so dar. Anfangs 1920 sandte Hugo von Hofmann6thal Richard Strauß einen szenischen Entwurf .Danae oder die Vernunftheirat". Mit ihm kam der Wiener Dichter dem Wunsche des Komponisten nach einem heiteren Stoff nach. Er selbst bezeichnete damals seinen Entwurf als .leicht, dreiaktig, der Operette verwandt und der Welt de6 Lukian sehr nahe". Der .Danae"-Plan trat über anderen Arbeiten der beiden Autoren bald in den Hintergrund und wurde schließlich ganz vergessen, zumal Hofmannsthal 1929 verstarb. Rund zwanzig Jahre später machte Willi Schuh, der Schweizer Musikschriftsteller, den Komponisten auf den liegengebliebenen „Danae“-Entwurf wieder aufmerksam, Strauß beauftragte den Wiener Theaterhistoriker Joseph Gregor, der ihm bereits die Operabücher .Der Friedenstag' und .Daphne“ geliefert hatte, mit der heiklen Aufgabe, unter Benützung des Szenariums von Hofmannsthal das .Danae"-Buch zu verfassen. Wie immer, nahm natürlich der Komponist selbst starken Einfluß auf das Libretto, auch Clemens Krauß, der Freund und Mitarbeiter an .Capriccio", nahm am Werden des Buches teil.

Der Vorgeschichte zweiter Teil führt mitten in die Kritik des neuen Werkes hinein. Bekanntlich war die Uraufführung der „Danae" 1044 als hothoffizielle Ehrung des achtzigjährigen Komponisten in Salzburg bereits bis zur Generalprobe gediehen, als die Kriegaereig- nj66e dann eine Durchführung der Salzburger Festspiele verboten. Wenn es richtig ist, daß dar Komponist selbst noch zu seinen Lebzeiten die Uraufführung für 1952 bestimmte, handelte er klug. Dieser Abstand zu den Dingen war aus vielen Gründen notwendig. Freilich hat zugleich der untrügliche Wertmesser .Zeit geoffenbart, daß der Mythos Richard Strauß einer vergangenen Epoche angehört. Wa6 zu Lebzeiten des Komponisten noch als Zeugnis eines unermeßlich reichen Kunstlebens, das zahlreiche gegensätzliche Zeitläufte überspannt, hätte entgegengenommen werden können, ist heute auf sich selbst gestellt, erbarmungslos dem Vergleich mit den neuen, unterdessen an die Herrschaft gelangten Kunstanschauungen ausgeliefert. Das ist in Wahrheit die Tragik der .Liebe der Danae“, deren schöpferische Qualität und dramaturgische Grundfehler festzustellen, zweifellos billig ist!

Aus .Danae oder die Vernunftheirat" wurde also „Die Liebe der Danae“ mit dem Untertitel „Heitere Mythologie in drei Akten mit Benützung eines Entwurfes von Hugo von Hofmannsthal von Joseph Gregor". Hofmannsthal schwebte, wie sein Titel deutlich genug au6spricht, ein mythologisches Märchen vor, für das er sich eine .leichte geistreiche Musik" vorstellte -in der Linie .Rosenkavalier', .Ariadne'-Vorspiel, .Bürger als Edelmann .. / sine frühe mythische Antike, frech behandelt, in lukianischem Sinn als milesi- sches Märchen“. Gregor machte aus der „Vernunftheirat“ der Danae, die Jupiters Goldregen und Liebe verschmäht und dem Eseltreiber Midas folgt, eine „Liebe der „Danae“. Der Akzent verschiebt sich vom Heiter-Unverbindlichen zum Dramatiech-Ver- bindlicheh. Die Liebe der Danae wird zum pathetischen Beispiel, die Läuterungsoper, hier in der Idee von der Überwindung des Goldes durch die Liebe, ist wieder auferstanden. Das Engagement der Mythologie, das nach der „Frau ohne Schatten" Hofmannsthal zweifellos nunmehr im „Geiste der Operette möglich erschienen war, wird ernst genommen. Die von Richard Strauß ein Leben lang genial überspielte gefährliche Nähe zu Richard Wagner wird übersehen. Ein übriges tut die Überaus barock-pathetische Theatersprache Gregors, die dem leicht fließenden Konver- sationsstij der Musiksprache Strauß’, den Hofmannsthal hier geradezu „franzö6isch“-geist- reich angewendet wissen wollte, diametral ent- gegensteht. Entscheidend aber war für die schließlich nicht mehr zu umgehende Beschwörung Richard Wagners in der „Danae'-Musik die Einführung Jupiters al6 handelnde Person. Mit ihm ziehen tiefgründige „Monologe" in die Oper ein. Auch wird der Gott zum Menschen, der verzeiht, und der Abschied Jupiters von Danae im letzten Bild der über dreistündigen „Danae'-Musik entbehrt nicht der (leider unfreiwilligen) Komik. Das ist das logische Fazit einer Dramaturgie, die auf gänzlich verschiedenen theatralischen Welten aufgebaut ist, „Danae“ i6t keine „heitere Mythologie“ mehr, und ihre drei Akte wechseln von statischer Repräsentanz im Stile der „großen" Oper, die, von Meyerbeer kommend, einst in Wagners „Rienzi" beinahe 6chon überwunden war, zum „Interieur“ der Konveisationsoper mit nunmehr „echten" Straußschen Tönen, vor allem im Kammermusikalischen, und schließlich zur wagnernahen „Apotheose" im Sinne des Gesamtkunstwerks,

Die Schwierigkeit, die verschiedenen Kunstgegensätze zur Einheit zu zwingen, gelang in erster Linie dem Bühnenbildner Emil Preeto- rius. Er kümmerte 6ich nicht um die Stilprobleme der Musik, sondern überspannte die Szenen mit einem rostroten, also „stilisierten" südlichen Himmel, unter dem mythologische Götter und Menschen Platz haben. Seine Architektur, schlank, athenisch und in den Farben angenehm gedämpft, gab der Turbulenz der „Aufmärsche" genügend Raum, lieh aber auch dem Interieur unpathetisch-festliches Gepräge (Hochzeitsgemach). Vor der schwierigsten Aufgabe stand der Regisseur Rudolf

Hartmann. Er unternahm alles, um die Vieldeutigkeit der Figuren (Midas zum Beispiel wird nicht weniger als dreimal „umgedeutet“) zu entwirren und die entscheidenden psychischen Wendungen gleichzeitig zu versinnbildlichen und von ihrer dramatischen Schwere zu befreien. Das Riesenaufgebot der vier Könige und vier Königinnen, deren Vielstimmigkeit Strauß meisterhaft durchführte, szenisch ihrer oratorischen Würde zu entkleiden, konnte freilich auch diesem erfahrenen Strauß- Inszenator nicht ganz gelingen. Hier und in vielen anderen ähnlich gelagerten Fällen mußte Clemens Krauß, der bereits 1944 die Generalprobe geleitet hatte, als „Klangregis- seur" eingreifen. Er tat es mit der ihm eigenen Elastizität, einer erstaunlichen Wendigkeit im Wechsel von eindeutigem Pathos und vielstimmiger Scheinpolyphonie in den übrig gebliebenen Inseln der Heiterkeit. Wa6 er von den Sängern verlangen mußte, grenzte fast ans Unerfüllbare. Um so eindrucksvoller waren die Leistungen von Annelies Küppers (Danae) und Paul Schöffler (Jupiter), die ich im Laufe des Premierenabends von einer fühlbaren Überanstrengung immer freier sangen. Ein neuer Tenor auf Salzburgs Fe t6pielbühne: Josef Gostic als Midas, der sich mit der Gewalt einer strahlenden Naturstimme da Herz der Danae eroberte. Alle übrigen, nicht weniger als vierzehn Soli6timmen, waren mit besten Kräften der Wiener Staatsoper besetzt, ein Aufgebot, das wohl kaum mehr anderswo so glanzvoll erreicht werden kann. Die Wiener Philharmoniker bewiesen mit diesem Abend, ebenso wie der Chor der Wiener Staatsoper, aufs neue, daß sie die heute wohl führenden Richard-Strauß-Ensembles 6ind.

Auch im äußeren Bild ein großer Abend im Salzburger Festspielhaus. Clemens Krauß vor allem wurde mit Beifall überschüttet. Es gab rund dreißig Vorhänge. Es bleibt abzuwarten, ob die Problematik des Werks und die unvorstellbare Schwierigkeit seiner Wiedergabe anderswo ebenso überwunden werden können wie in Salzburg, dessen Festspiele zum ersten Male ln ihrer Geschichte mit einer Strauß- Uraufführung glänzen konnten.

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