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Capriccio von Richard Strau

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Der kapriziöse Wettstreit zwischen Wort und Ton, um den es in diesem letzten Bühnenwerk von Strauß geht, bleibt am Ende unentschieden. Aber das Herz der umworbenen jungen Gräfin neigt sich im Laufe des verschlungenen Spieles immer mehr dem Musiker Flamand zu, der 6ich des Liebe6sonetts seines Freundes und Rivalen, des Dichters Olivier ziemlich gewaltsam bemächtigt, indem er es vertont. Wer ist nun der wirkliche Autor des Liebesliedes, der Dichter oder der Komponist? Das ist hier die Frage. — Strauß hat sie für eich in einer ganzen Reihe von Opern zugunsten der Musik entschieden. Nicht der „betäubende Lärm des Orchesters“, wie es der Textdichter des „Capriccio“ an einer Stelle formuliert (freilich manchmal auch dieser!), verhindert auf weite Strecken das Verständnis der von Strauß vertonten Texte, sondern jene Scheinpolyphonie, jene „Nerven-kontrapunktik“, wie Strauß 6ie selbst einmal genannt hat, gegen die keine menschliche Stimme aufkommt. — Daneben hat Strauß, mit dem „Rosenkavalier“ beginnend und über „Intermezzo“, „Ariadne“ und „Arabella“ fortschreitend, einen eigenen Konversationsstil entwickelt, der auch da6 Wort zu seinem Recht kommen läßt und den wir in seiner endgültigen Form in .Capriccio“ bewundern können.

Dem Komponisten schwebte ursprünglich eine .Theaterfuge“, eine Art „dramaturgische Abhandlung“ über das Thema Wort und Ton vor, etwa in der Form de6 „Vorspiels auf dem Theater“ zu „Fau6t“ oder zu Hofmannsthals „Ariadne“, also zunächst nur eine Einleitungsszene zu einer eigenen Oper — wobei man an „Daphne“ oder „Danae“ deniken mag. Clemens Krauß hat diese Anregung aufgegriffen und aus ihr den Königsgedanken eine6 Textbuches gemacht, das seinesgleichen in der Operngeschichte sucht. Zunächst als stilvolle Weiterentwicklung eines Librettos des Abbe de Casti (von Salieri vertont und 1786 in Wien uraufgeführt), dessen allegorische Figuren Clemens Krauß in lebendige Gestalten verwandelte* durch die dichte menschliche und dramatische Sphäre, die er zu schaffen verstand; durch den vordergründigen Witz und die hintergründige Bedeutung seiner Formulierungen; durch die Erfindung neuer Gestalten und Konfigurationen und anderes mehr. Hiezu nur ein kleines Beispiel. Eine Nebenfigur, den Souffleur Monsieur Taupe,läßt er sagen: „Unheimlich-schattenhaft spiegelt sich vor mir die Wirklichkeit. Mein eigenes Flüstern schläfert mich ein. Wenn ich schlafe, werde ich zum Ereignis. Die Schauspieler sprechen nicht weiter — das Publikum erwacht.“ — Text und Musik sind überreich an solchen zweidimensionalen Stellen, an Reminiszenzen und Zitaten. Da gibt es ein Sonett von Ronsard und Aphorismen von Pascal, da gibt es alte Tänze, Passepied und Gigue im Stil der Clavecinisten, bei canto-Arien und Duette zweier italienischer Sänger, Zitate .aus Gluck, Wagner und — immer wieder — aus Straußens eigenen Werken. Ein Gericht für Feinschmecker — und doch auch wieder echtes Theater, zuweilen sogar „Große Oper“, trotz des Untertitels „Konversationsstück mit Musik“. Daß vom Komponisten alle sich bietenden Formen virtuos genützt werden, vom lyrischen Monolog und lyrischen Zwischenspiel bis zum turbulenten achtstimmigen Lach- und Streitensemble, versteht sich von selbst, ebenso wie die Fülle des Wohllauts, die über alles gebreitet ist.

Die Inszenierung des Werkes durch Rudolf Hartmann, der 1942 die Uraufführung in München und im folgenden Jahr die Wiener Erstaufführung geleitet hat, kann als authentisch gelten. Da6 gleiche gilt von der musikalischen Leitung durch Karl Böhm, von den Kostümen Gustav Var-g o s und von dem Bühnenbild; selten haben wir ein so stilvolles, freundliches und in jedem Detail richtiges gesehen. Bei der Besetzung konnte endlich einmal wieder verwirklicht werden, was Reinhardt für das Theater und Mahler für die Oper gefordert haben: daß nämlich auch die kleinste Partie nur einem Meister des Faches anvertraut würde. Die Namen der Mitwirkenden müßten alle genannt werden. Die Träger der Hauptrollen mögen hier für ein Ensemble stehen, das auch die anspruchsvollsten Wünsche zu erfüllen vermochte: Christi Goltz und Hermann Uhde als gräfliches Geschwisterpaar, Anton Dermota und Hans Braun als die beiden verliebten Feinde und freundlichen Gegner, Paul Schöffler als Theaterdirektor und Elisabeth Höngen als Primadonna. — So erlebte das kostbare Alterswerk ein Jahr nach seines Schöpfers Tod eine ideale Neuinszenierung im Theater an der Wien, das Richard Strauß selbst als den „idealen Raum“ dafür bezeichnet hat.

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