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Fortners Lorca-Oper

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Die lyrische Tragödie „Bluthochzeit“ von Lorca in der „Vertonung“ durch Wolfgang Fortner gehört heute bereits zu den bewährten Repertoireopern der Moderne. Die Schwierigkeit, den an sich schon musikträchtigen lyrischen Text Lorcas in Musik zu setzen, bewältigt Fortner auf kluge und delikate Weise: Er mischt gesungene und gesprochene Partien so, daß weder der Eindruck von Rezitativen noch der eines Melodrams entsteht; die Übergänge zwischen Sprache und Musik sind fließend, eine Aussageform bedingt die andere. Die Grazer Oper hat eine beachtenswerte musikalische und szenische Realisierung des Werkes zustande gebracht: Gustav Czerny verband als Dirigent die sparsam angedeuteten folklori- stischen Elemente der Musik mit intellektueller Kühle (wofür besonders das eindrucksvolle Waldbild bezeichnend ist), Robert Casapiccola führte Regie.

Ein packendes Erlebnis wurde die

Neuinszenierung der „Tosco" im Grazer Opernhaus, nicht zuletzt durch die Regieführung Karl-Heinz Böhms. Obwohl man über manch inszenatorische Geschäftigkeit des bekannten Schauspielers und Halb- Grazers in dieser Puccini-Oper geteilter Meinung sein kann, so ist dennoch nicht zu leugnen, daß sein Konzept, das, aus der veristischen Musik heraus entwickelt und zumeist auf gewaltig gesteigerte Spannung hingearbeitet, viel für sich hat. Die entscheidende Hilfe kam dem jungen Regisseur vom Dirigentenpult her: hier waltete Bruno Amaducci voll italienischen Feuers seines Amtes. Jose M. Perez ist ein tüchtiger Cava- radossi, Althea Bridges eine sehr brauchbare Tosca.

Der zweite Ballettabend zeigte das Grazer Corps unter seinem Leiter Fred Marteny auf bemerkenswerter Höhe. Am besten in Erinnerung blieb von dem Abend mit französischer Musik (Bizets Symphonie in C und Iberts „Ballade vom Zucht haus in Reading“) der dritte Teil, Albert Roussels „Bacchus et Ariane“. Das ist ein prachtvoll beschwingtes Stück Ballettmusik, das den klassischen Stoff voll Schwung und leichter Ironie in sympathischer Lebendigkeit übersetzt.

Im Grazer Schauspielhaus gibt es fast nur Belangloses. Nach einem bemühten, aber dennoch vergeblichen Wiederbelebungsversuch von Lessings Jugendwerk „Der junge Gelehrte“ — dem über das rein Literarhistorische, Museale nun wirklich keinerlei Bedeutung mehT zukommt — feierte man zuletzt Wedekinds 50. Todestag mit dessen Sittengemälde „Musik“. Damit gelang in diesem Hause nach längerer Zeit endlich wieder einmal ein Erfolg. Rudolf Hasselbrink entschied sich in seiner Inszenierung recht eindeutig für die Parodie — allerdings nicht so, daß von der Substanz eines schmerzvollen Menschenschic’’- sals nichts mehr geblieben wäre. Aber wie der ganze nachromantische Gartenlauben- und Spießerkitsch hier in Wagner-Musik eingebettet, das Panoptikum aus Kleinbürgerpathos und Schlägerinstinkten mit der Chiffre „Richard Wagner“ versehen wurde — das hatte Pikanterie und zeugte gleichzeitig von künstlerischem Gespür, ebenso wie die Dekorationen Robert E. Jahrens.

Dem anspruchsvollen literarischen Abend der „Spielvögel“ folgte bald darauf ein Programm, das vom modischen schwarzen Humor bestimmt war. Darunter befand sich auch ein Stücklein von Karl Witt- linger, dessen Charakteristikum Schwerfälligkeit ist, und ein ganz vortrefflich bummelwitziger Einakter des Tschechen Gabriel Dagan („Aquarium“), der die vielen Spielarten absurder Komik durch einige neue Varianten auf charmante Art bereichert.

Auf einer Pressekonferenz in der Grazer Burg wurden kürzlich die Grazer Sommerspiele zu Grabe getragen. Landeshauptmannstellvertreter Univ.-Prof. Koren proklamierte in Gegenwart des Landeshauptmannes die neue Lösung: den „Steirischen Herbst“.

Die „Sommerspiele“, einst von der englischen Besatzungsmacht als Gegengewicht zu den „amerikanischen“ Salzburger Festspielen ins Leben gerufen, hatten trotz manch Positivem doch von Jahr zu Jahr immer stärkeres Unbehagen hervorgerufen, worüber die „Furche“ stets berichtete. Für Professor Körens Konzept des „Steirischen Herbstes“ sprechen einmal die Funktion der geplanten Veranstaltungen als geistiger Unterbau der wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zum Südosten — „das geistige Gesetz des Landes heißt: Innerösterreich“ —, dann die Wetterbeständigkeit dieser Jahreszeit, ferner die dringend nötige Entlastung des sommerlichen Festspielrummels in Österreich und schließlich die Vorstufen zu dem neuen geistig-kulturellen Unternehmen: die seit Jahren veranstaltete „Steirische Akademie“ und die Kunstbieronale „TRIGON“.

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