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Benzinpreis nicht vor Wahlen

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Als im Februar die Verhandlungen zwischen den ölexportierenden Staaten, die in der Organisation OPEC zusammengeschlossen sind, und den internationalen Mineralölfirmen abgeschlossen wurden, war eines bereits klar geworden: Die empfindlichen Erhöhungen des Rohölpreises werden nicht ohne Auswirkungen auf die europäischen Verbraucherpreise bleiben. Während in der Bundesrepublik Deutschland die einzelnen Firmen ihre Endverbraucherpreise ebenso wie in der Schweiz sehr rasch anhoben, waren die österreichischen Mineralölfirmen nicht in der Lage, ihren ausländischen Vorbildern zu folgen: Denn die Treibstoffpreise sind in Österreich einer Preisbindung unterworfen.

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Als im Februar die Verhandlungen zwischen den ölexportierenden Staaten, die in der Organisation OPEC zusammengeschlossen sind, und den internationalen Mineralölfirmen abgeschlossen wurden, war eines bereits klar geworden: Die empfindlichen Erhöhungen des Rohölpreises werden nicht ohne Auswirkungen auf die europäischen Verbraucherpreise bleiben. Während in der Bundesrepublik Deutschland die einzelnen Firmen ihre Endverbraucherpreise ebenso wie in der Schweiz sehr rasch anhoben, waren die österreichischen Mineralölfirmen nicht in der Lage, ihren ausländischen Vorbildern zu folgen: Denn die Treibstoffpreise sind in Österreich einer Preisbindung unterworfen.

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Aber auch die anderen Rohölprodukte konnten in ihren Preisen nicht ohne weiteres verändert werden. Die Paritätische Kommission genehmigte die Erhöhung des Heizölpreises erst nach langwierigen Diskussionen und vor allem nach dem 28. April, dem Wahltag der Bundespräsidentenwahl. Seit voriger Woche steht nun Österreich erneut im Zeichen von Neuwahlen, ohne daß der im April von den Mineralölfirmen emgebrachte Preisantrag von der amtlichen Preiskommission behandelt worden wäre.

Handelsminiister Dr. Staribacher verstand es bisher geschickt, die Mineralölfirmen zum Zuwarten zu veranlassen. War es zuerst der Preisantrag für das Heizöl, wurde später das Bitumen aus den preisgebundenen Ölprodukten herausgenommen, und auch diese Preiserhöhung genehmigt.

Doch der Kern der Preiserhöhungen, die erwartete Treibstoffpreiserhöhung ist bisher ausgeblieben. Eine Entscheidung vor dem Sommer hatte man schon lange nicht- mehr erwartet, doch scheint es inzwischen klar geworden zu sein, daß auch vor dem Herbst keine Entscheidung fallen wird. Denn welche Partei, welcher Minister würde wenige Wochen vor Neuwahlen einen derartig konsumentenverbundenen Preis anheben, noch dazu, nachdem er den Entrüstungssturm der österreichischen Autofahrer, der sich durch aUe Parteien zog, soeben in der Frage der Haftpflichtversicherungsprämien erlebt hat? Benzinpreise also nicht vor einer neuen Regierung, womöglich nicht vor Jahresende — eine für die österreichischen Autofahrer durchaus erfreuliche Aussicht. Nicht erfreulich ist diese Aussicht aber für die Mineralölfirmen. Mittels drastischer Investdtionskürzungen hofft man, sich über die Runden zu retten. Doch ein Problem der Versorgung mit Mineralölprodukten wurde durch die hinausgezögerte Preiserhöhung wieder aktueH: die Frage der Tank- steUen. In Österreich gibt es grundsätzlich zwei Arten von Tankstellen: jene, die von den Mineralölfirmen selbst geführt werden, und jene, die verpachtet sind. Die Tankstellen, die im Besitz ihres Halters sind, sind die absolute Minderheit. Seit 1952 un veränderte Provisionen und der Drang der Mineralölfirmen, möglichst viel Tankstellen zu errichten, führte in den letzten Jahren zu einer radikalen Verschlechterung der Ertragslage dieser Tankstellen.

In Österreich gibt es gegenwärtig rund 5600 TanksteUen. Die Forderung der Mineralölfirmen nach einem Durchschniittsumsatz von etwa

900.0 Litem, wird nur von einer Minderheit dieser Tankstellen erfüllt. Der Generaldirektor einer Mineralölfirma hat erst vor kurzem die Tatsache offen beim Namen genannt: „Es gibt etwa 1400 Tankstellen in Österreich zuviel.“ Alle sagen es nicht so drastisch, aber bis auf die ÖMV-Tochter ELAN, die ihr Netz noch kräftig ausweiten wiU, scheinen alle Internationalen der Meinung zu sein, daß es zu viele Tankstellen gibt.

In der Studie des Bundesmini- steriums, die Anfang Juni den zuständigen Fachverbänden zugewiesen wurde, werden zwei österreichische Straßen als Beispiel dafür angeführt, daß es viel zu viel österreichische Tankstellen gibt. Auf der Strecke Innsbruck—Kufstein gibt es im Durchschnitt alle 900 Meter eine Tankstelle, auf der etwa 200 km langen Strecke Graz—Wien gibt es sogar 280 Tankstellen. Das Handelsministerium zieht daraus den Schluß, daß nur die große Zahl von Tankstellenneugründungen zu den Schwierigkeiten der einzelnen Pächter führte. Im Handelsministerium ist man aber der Meinung, daß eine marktgerechte Planung des Tankstellennetzes durch die Mineralölge- sellschaften wesentliche Kosteneinsparungen ermöglichen würde.

Die Mineralölfirmen meinen dazu, daß das Ministerium bei Seiner Studie den ständig steigenden Bedarf an Treibstoffen und ölen sowie die neuen Bedarfsschwerpunkte übersehen hätte. Wie eine Studie von Shell feststellte, wird der gesamtösterreichische Treibstoffbedarf bis 1980 auf der Basis von 1965 um 194,2 Prozent steigen, während die Zahl der Tankstellen im gleichen Zeitraum nur um 27,9 Prozent steigen soll. Der Vorsatz ist gut, nur ob er eingehalten wird, kann erst die Zukunft weisen. Ob nicht eine Verbesserung des Services, wie zum Beispiel die Ausdehnung der Nachtdienste, eher angebracht wäre, als Werbung durch Plastikbälle die man als „Club“-Mitglied erhält, sei zumindest in Frage gesteHt.

Ohne eine Prognose über den Ausgang der bevorstehenden Wahlen stellen zu wollen, scheint es doch sicher zu sein, daß der neue Handelsminister im Herbst ebensowenig von einer Preiserhöhung begeistert sein wird, wie der jetzige. Um diese an sich gerechte Erhöhung zu erhalten, müssen also die Mineralölfirmen Vorleistungen vollbringen, die nicht nur in dem täglichen Verlust von

1,5 Millionen Schilling, sondern auch in einer Bereinigung der Investitionspolitik und der TanksteHen- planung bestehen sollten.

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