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Ab 1. Juni mehr

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Noch In dieser oder in der nächsten Woche wird die endgültige Entscheidung über den neuen Strompreis fallen. Die amtliche Preiskommission im Innenministerium wird über jeden Antrag der einzelnen Elektrizitätsversorgungsunternehmen beraten und ihre Empfehlungen an den Innenminister aussprechen, der dann im Zusammenwirken mit dem Bundesminister für Verkehr den endgültigen Satz der neuen Erhöhung bekanntgibt. So kompliziert liest sich der Vorgang aber nur auf dem Papier: Denn die wirklichen Entscheidungen sind längst gefallen.

Nachdem durch die Wahlen die Einreichung der Anträge der meisten Gesellschaften verzögert worden war, hofften die Unternehmen im vergangenen Herbst, noch im November eine Entscheidung über die neuen Tarife herbeiführen zu können. Doch ihre Anträge, die sich zwischen 17 und 26 Prozent bewegten, wurden auf dem Altar' der Preisdisziplin geopfert. Den Gesellschaften wurde klargemacht, daß an eine derart massive Erhöhung nicht zu denken sei. Vorerst machte der zuständige Ressortchef, Verkehrsminister Erwin Frühbauer, den Elektrizitätsgesellschaften das Angebot, mit 1. Juni, sozusagen als A-conto-Leistung, die Strompreise generell um 10 Prozent anzuheben und erst zu einem späteren Zeitpunkt — nicht aber vor dem Jahresende 1972 — dann eine weitere Erhöhung folgen zu lassen.

Dieser Plan stieß aber auf derartig heftigen Widerstand der Elektrizitätsgesellschaften, daß man in der

Regierung beschloß, einen anderen Weg zu gehen: Es wurde ein interministerielles Komitee eingesetzt, das mit einem Verhandlungskomitee des Verbandes der E-Werke über eine durchschnittliche Erhöhung beraten sollte. Nach komplizierten Verhandlungen wurde dann festgestellt, daß eine durchschnittlich vier-zehnprozentige Erhöhung das höchste vertretbare Ausmaß für eine Strompreiserhöhung ab 1. Juni sei.

Nun mußte aber noch über die Belastung für die einzelnen Verbrauchergruppen beraten werden. Nach anfänglichen Schwierigkeiten in der amtlichen Preiskommission beziehungsweise im Vorprüfungsverfahren ist das im großen und ganzen in den letzten Wochen geschehen.

Entzerrung der Tarifstruktur

Die Elektrizitätsversorgungsunternehmen haben ihre Anträge auf durchschnittlich 14 Prozent reduziert — das heißt aber nicht, das nicht einzelne Verbrauchergruppen mehr zahlen müssen als 14 Prozent. Im Detail stehen die neuen Sätze bereits für einige Bundesländer fest: So werden die von der niederösterreichischen Gesellschaft Newag versorgten Industriebetriebe um 13 Prozent mehr zahlen müssen, die Landwirtschaft Niederösterreichs um 14 Prozent und die Haushalte um etwa 15 Prozent. Diese Werte weichen auch in den anderen Bundesländern nur unwesentlich voneinander ab. Lediglach in der Steiermark wollte man vorerst den Industrietarif nur um 12, den der Haushalte aber um 16 Prozent anheben. Doch scheint auch hier im Vorprüfungsverfahren eine Annäherung an die gesamtösterreichischen Werte erfolgt zu sein.

Mit der Verbundgesellschaft war bereits Ende April vereinbart worden, daß der Strompreis für einige industrielle Direktabnehmer, wie etwa die Donau-Chemie oder die Solvay-Werke in Ebensee, nur um

7 Prozent angehoben wird. Als Grund für diese Bevorteilung der Industrie gegenüber den Haushalten nennt Newag-Generaldirektor Doktor Rudolf Gruber eine schon längst notwendige Entzerrung der österreichischen Tarifstruktur, die auch diesmal nur in bescheidenem Rahmen erfolgen konnte.

Der Newag-Generaldirektor ließ in einem Gespräch mit Journalisten auch bereits erste Zweifel an der Dauer dieser Strompreiserhöhung laut werden. Er verwies auf die Probleme der E-Wirtschaft durch die beabsichtigte Einführung der Mehrwertsteuer, da die Unternehmen bisher überhaupt von der Umsatzsteuer befreit waren, nun aber

8 Prozent Mehrwertsteuer werden zahlen müssen. „Die beabsichtigte Einführung einer Investitionssteuer hat rein konfiskatorischen Charakter und dient nur dem Finanzministerium“, formuliert der Newag-Chef die Kritik der E-Wirtschaft an dieser neuen Steuer. Die fühlbare Mehrbelastung bei Großinvestitionen werde auf die Gebarung der Gesellschaften bereits bald Auswirkungen zeigen, meinte Gruber. „Die Zeiten, zu denen mehr als 13 Jahre keine Tariferhöhungen erfolgten, sind jedenfalls endgültig vorbei!“

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