6817773-1973_18_04.jpg
Digital In Arbeit

Kein Stopp mehr

Werbung
Werbung
Werbung

Der zweite Teil des Frühjahrs 1973 wird für die österreichischen Konsumenten aber auch für Österreichs Wirtschaft fühlbare Mehrbelastungen mit sich bringen. So müssen zum Beispiel ab 1. Mai die Bezieher von Strom und Gas die Mehrwertsteuer auch auf den Haushaltsgrundtarif für diese Produkte bezahlen, was einer rund sechspro-zentigen Verteuerung gleichkommt. Wesentlich empfindlicher werden aber die Erhöhungen der Treibstoffpreise sein: in einer bereits jetzt festgelegten ersten Phase wird nämlich der Preis für Superbenzin am 1. Juni um 40 Groschen auf 4.50 Schilling, für Dieselöl um 40 Groschen auf 3.60 Schilling und für Normalbenzin um 30 Groschen auf 3.90 Schilling angehoben werden. Diese Preise werden aber nur wenig mehr als ein halbes Jahr gelten, denn bereits am 1. Jänner 1974 werden die Preise nochmals kräftig erhöht werden: Superbenzin wird dann 4.80 Schilling kosten (jetzt 4.10 Schilling), Normalbenzin 4.25 Schilling (jetzt 3.60 Schilling), Dieselöl 3.65 Schilling (jetzt 3.20 Schilling) und Ofenheizöl 1.95 Schilling (jetzt 1.85 Schilling).

Diese Preiserhöhungen kennzeichnen das Auslaufen des Stabilisierungsabkommens zwischen den Wirtschaftspartnern. Bundesregierung wie Sozialpartner hatten im Spätherbst des vergangenen Jahres dieses Abkommen geschlossen, um die ärgsten Preissteigerungen aus der Mehrwertsteuer unter Kontrolle zu halten.

Gewerkschaftspräsident Benya hat nun in der vergangenen Woche betont, für die Gewerkschaften käme eine Verlängerung des Abkommens in der bestehenden Form nicht in Frage, eine Haltung, die übrigens von der Bundeswirtschaftskammer bereits zu einem früheren Zeitpunkt vertreten wurde.

Beide Interessenvertretungen stehen nämlich unter dem starken Druck ihrer Mitglieder: Arbeitnehmer wollen dem faktischen Lohnstopp, der ihnen ohnehin immer ein Dorn im Auge gewesen ist, nicht noch verlängern. Und die Wirtschaft auf der anderen Seite war über die weit über das Preisbestimmungsgesetz hinausgehende Verpflichtung der Zurückhaltung bei Preiswünschen ja ebenfalls alles andere als glücklich.

Wer allerdings eine Preiswelle für den kommenden Sommer und Herbst befürchtet, kann zumindest teilweise beruhigt werden: die Paritätische

Lohn- und Preiskommission wie auch die Amtlichen Preiskommissionen werden ja weiterhin sehr vorsichtig Preiserhöhungen zustimmen. Die Forderungen der Arbeitnehmer stehen aber bereits fest: Rund 900.000 Arbeiter und Angestellte werden vermutlich im Herbst dieses Jahres Lohnforderungen stellen: das weitaus größte Kontingent werden die Metallarbeiter sowie die in Verarbeitungsbetrieben der Metallindustrie Beschäftigten stellen. Dazu kommen noch die Mitarbeiter der Gast-, Schank- und Beherbergungsbetriebe. Auch einige andere Gruppen von Arbeitnehmern haben bereits für den Herbst Lohnforderungen angekündigt.

Dennoch bekennen sich beide Vertretungen, also die der Wirtschaft und jene der Arbeitnehmer, zu der Notwendigkeit gewisser stabilisierender Maßnahmen. Allerdings ist noch nicht klar, wie weit man diesmal in den freiwilligen Selbstbeschränkungen gehen wird.

Vor allem die angespannte Situation auf dem Kreditmarkt, die in den

nächsten Wochen nach Aussagen verschiedener Bankfachleute noch erheblich verschärft werden könnte, gibt den Vertretern der Wirtschaft Anlaß zur Sorge. Die Wirtschaft meint nämlich, Stabilisierungsbemühungen, die nur vom Bund, der Wirtschaft und den Arbeitnehmern getragen würden, seien bedeutungslos, solange die Gebietskörperschaften, also Länder und Gemeinden, unbeeinflußt weiter Geld ausgeben. Wenn nicht auch sie zu einer freiwilligen Beschränkung ihrer Ausgaben gewonnen werden können, werden die Vertreter der Wirtschaft nur sehr schwer zur Unterzeichnung eines weiteren Stabilisierungsabkommens bereit sein.

Österreich soll nach der Voraussage des Instituts für Wirtschaftsforschung heuer mit einer Steigerung des Verbraucherpreisindex von rund 7,5 Prozent zwar unter der gefürchteten 8-Prozent-Marke liegen, aber die an und für sich nicht geringen 6,5 Prozent des Vorjahres werden doch wesentlich überschritten werden. Die Notwendigkeit zum Stabilisieren besteht also weiter. Der Preisauftrieb, der aus dem Ausland unkontrollierbar auf uns zukommt, ist ohnehin stark genug. Bleibt also die Frage, wie weit stabilisiert werden soll. Das werden aber Verhandlungen im Laufe dieses Monats entscheiden müssen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung