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Ein besonderer Saft

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Benzin scheint immer mehr zu einem „besonderen Saft“ zu werden, denn die Einführung der Mehrwertsteuer wird diesen Treibstoff preislich wieder einmal stark verteuern. Bereits am 1. Jänner dieses Jahres war es ja zu einer empfindlichen Verteuerung von Super- und Normalbenzin gekommen, da die Rohölpreise stark angehoben worden waren. Dieselöl war am 15. Jänner 1971 teurer geworden, da die Bundesregierung die Bundesmineralölsteuer, genauer gesagt, den Zuschlag zur Bundesmineralölsteuer, der für den Straßenbau zweckgebunden ist, damals angehoben hatte.

Benzin und andere Treibstoffe waren bisher größtenteils von der Umsatzsteuer befreit, jetzt sollen 16 Prozent, also der volle Satz, Mehrwertsteuer eingehoben werden. Bereits im Mai ist ein Streit zwischen Finanzminister Dr. Androsch, der für die Treibstoffpreise eigentlich gar nicht zuständig ist, und der Mineralölindustrie über das Ausmaß der Preiserhöhung durch die Mineralölsteuer ausgebrochen. Androsch hatte damals bei einem Heurigen mit Journalisten gemeint, Benzin würde höchstens um 30 Groschen je Liter teurer werden. Darauf meldete sich die Mineralölindustrie mit Berechnungen zu Wort, die das Gegenteil bewiesen: Super würde demnach um 51 Groschen, Normal um 45 Groschen und Diesel um etwa 40 Groschen teurer werden. Die Berechnungsart der Mineralölfirmen scheint einleuchtend zu sein: 16 Prozent von 4.10 Schilling, dem augenblicklichen Verkaufspreis von Superbenzin, sind knapp 65 Groschen. Bei der von den Firmen angenommenen Vorsteuerentlastung ergibt das eine Preiserhöhung von 51 Groschen je Liter.

Finanzminister Androsch war mit dieser Art der Berechnung nicht einverstanden: er argumentierte, erstens müsse der Entlastungssatz höher sein und zweitens gäbe es durch die Vorratsentlastung und andere steuerliche Begleitmaßnahmen derart tiefgreifende Änderungen in der Kalkulation der Firmen, daß die vorgelegten Berechnungen nicht mehr richtig seien. Um den Streit abzukühlen, beauftragte der Fachverband der Mineralölindustrie in der Bundeswirtschaftskammer den Wirtschaftsprüfer und Professor auf der Wiener Hochschule für Welthandel, Jonasch, mit der Erstellung eines Gutachtens. Jonasch, dem man auf Grund seiner früheren Beziehungen zur Steuerberatungskanzlei Androsch sicher nicht nachsagen kann, ein umstrittener Gutachter zu sein, kam, wie bisher bereits durchgesik-kert ist, zu dem Schluß, daß die Berechnungen der Mineralölindustrie richtig seien.

Androsch beharrt aber nach wie vor auf seinen ersten Vermutungen von maximalen Preiserhöhungen im Ausmaß von 30 Groschen. Er meint nun, die steuerlichen Maßnahmen würden zwar ein Anheben der Preise um mehr als 30 Groschen im ersten Jahr rechtfertigen, aber später ergäben sich wieder Ermäßigungen, die 30 Groschen als Mischpreis rechtfertigen. Ob das ein ähnliches Rückzugsgefecht ist, wie es Androsoh bereits einmal, im Frühjahr 1971, bei der Erhöhung der Kfz-Haftpflicht-versicherungsprämien, lieferte, ist noch unklar. Sicher ist aber, daß es ein ganz einfaches Mittel gäbe, die Mehrbelastungen der Autofahrer aus der Umstellung der Umsatzbesteuerung viel geringer zu halten, als selbst Androsch annimmt: die Beseitigung jener absurden Situation, daß Mineralölsteuer, Bundesmineralölsteuer und zweckgebundener Zuschlag zur Bundesmineralölsteuer durch die Mehrwertsteuer noch einmal besteuert werden. So, wie es momentan geplant ist, würde der Minister einen erheblichen Teil des tatsächlichen Verbraucherpreises für Treibstoffe doppelt besteuern. Der tatsächliche Warenpreis für Superbenzin, das an der Zapfsäule 4.10 Schilling kostet, beträgt nämlich nach Abzug der Umsatzsteuer 1.85 Schilling. Das heißt, daß auf jedem Liter Superbenzin 2.12 Schilling Mineralölsteuer liegen. Auch Normalbenzin ist bereits zu 2.12 Schilling steuerbelastet und bei Dieselöl macht die Belastung 1.84 Schilling aus.

Nach den Plänen des Finanzministeriums soll nun diese Steuer nochmals besteuert werden. Der Konsument muß daher für die von ihm bezahlte Steuer noch einmal Mehrwertsteuer bezahlen. Würde, wie es der ÖAMTC fordert, die Mineralölsteuer aus der Besteuerung des Benzinumsatzes, also der Mehrwertsteuer, herausgenommen werden und nur der halbe Satz von acht Prozent eingehoben werden, so ergäbe sich eine Preiserhöhung von ganzen zwei Groschen für einen Liter; allerdings würde es für den Finanzminister einen erheblichen Steuerausfall bedeuten. Aher dieser Weg wäre gangbar, er würde zu keiner Verringerung des Straßenbaus führen müssen, da der zweckgebundene Zuschlag zur Bundesmineralölsteuer gleich hoch bliebe. Da die Umsatzsteuerbelastung auf Benzin in allen Verarbeitungsphasen bisher etwa 13 Groschen beträgt, nach der vorgeschlagenen Besteuerungsart 15 Groschen, wäre die vom Finanzminister geforderte Einnahmenneutralität ebenfalls gegeben. Die erhofften Mehreinnahmen von 51 Groschen je Liter Superbenzin würden damit allerdings ausfallen.

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