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Abgewälzter Strompreis

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Noch nie hat eine österreichische Bundesregierung so viele Preisanträge auf einmal behandeln müssen, wie die jetzige. Und hoch nie hat eine Bundesregierung in einer für sie scheinbar ausweglosen Situation so große Erfolge gehabt, wie die jetzige. Wer vor den Wahlen noch geglaubt hatte, die bevorstehenden massiven Preiserhöhungen würden das Kabinett Kreisky II in ernste Schwierigkeiten bringen, hat sich getäuscht. Souverän meisterte der sonst nicht immer glücklich agierende Bundeskanzler auch diese Klippe: Die Bahnpreise werden erhöht — die Bevölkerung nimmt es zur Kenntnis. Wichtige Grundnahrungsmittel sollen wieder teurer werden — man nimmt es zur Kenntnis.

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Noch nie hat eine österreichische Bundesregierung so viele Preisanträge auf einmal behandeln müssen, wie die jetzige. Und hoch nie hat eine Bundesregierung in einer für sie scheinbar ausweglosen Situation so große Erfolge gehabt, wie die jetzige. Wer vor den Wahlen noch geglaubt hatte, die bevorstehenden massiven Preiserhöhungen würden das Kabinett Kreisky II in ernste Schwierigkeiten bringen, hat sich getäuscht. Souverän meisterte der sonst nicht immer glücklich agierende Bundeskanzler auch diese Klippe: Die Bahnpreise werden erhöht — die Bevölkerung nimmt es zur Kenntnis. Wichtige Grundnahrungsmittel sollen wieder teurer werden — man nimmt es zur Kenntnis.

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Zwei Preise schienen allerdings ein unlösbares Problem zu sein: Der Benzinpreis und der Strompreis. Beides Tarife, mit denen der Konsument fast täglich in Berührung kommt, beides Tarife, die aus wirtschaftlichen Notwendigkeiten unbedingt angehoben werden mußten.

Doch in dieser fast ausweglosen Situation, fand man eine neue Lösung: Man stellte die Gesellschaften, die Preiswünsche äußerten, vpr die Alternative, entweder rasch — oder zumindest zu einem möglichst nahen Zeitpunkt — eine Preiserhöhung genehmigt zu erhalten, die aber nur einen Teil der Anträge ausmacht — oder aber, sich auf ein langes und (wie man andeutete) auch sehr kompliziertes Preisprüfungsverfahren einzulassen, dessen Ausgang höchst ungewiß ist.

Immer wieder Erhöhungen?

Erstmals wurde diese Prozedur bei den Benzinpreisen durchexerziert. Nachdem die Mineralölfirmen mehr als sieben Monate auf die Erfüllung ihrer Anträge gewartet hatten, bot man ihnen die oben zitierte Alternative. Die Rechnung ging auf, die Firmen stimmten zu.

In der vergangenen Woche hat man dann die gleiche Vorgangsweise auch bei den Strompreisen erfolgreich angewendet. Zwei Gesellschaften hatten bereits Mitte Juli ihre Anträge eingebracht, die anderen Gesellschaften kamen nach der Regierungsbildung nach und nach mit Preiswünschen zwischen 18 und 26 Prozent daher. Unruhig geworden durch die augenblickliche Wasser- und dadurch bedingte Stromknappheit sowie die Gefahr, daß die NEWAG oder die STEWEAG, die bereits im Sommer eingereicht hatten, nach Ablauf der Entscheidungsfrist sich mit einer Säumnisbeschwerde zum Verwaltungsgerichtshof begeben könnten, versuchte die Regierung, auch die leidige Frage der Strompreise möglichst rasch aus der Welt zu schaffen.

Es wurde ein interministerielles Verhandlungskomitee, bestehend aus Verkehrsminister (der als zuständiger Resorrtminister eigentlich entscheiden hätte müssen), dem Handels- und Innenminister sowie Staatssekretär Veselsky, gebildet, das die Verhandlungen mit einem Verhandlungskomitee des Verbandes der Elektrizitätswerke aufnahm. Und schließlich kam man auch hier zur Einigung. Das Preisprüfungsverfah ren wird, in den meisten Fällen bevor es überhaupt begonnen hatte, beendet.

Unabhängig von ihren genau kalkulierten Preisanträgen erhalten die Unternehmen zwischen 12 und 14 Prozent mehr als bisher als pauschale Abgeltung zugestanden.

Wie problematisch eine derartige Lösung ist, ist auch klar: Die Experten hatten festgestellt, daß auf Grund gestiegener Investitionskosten die Anträge der NEWAG und STEWEAG berechtigt waren, ein Komitee schafft die Berechnungen mit einem Federstrich aus der Welt. Da die Preisforderungen auf Grund der Ertragslage der Gesellschaften berechnet worden sind, waren sie unterschiedlich hoch. Es tritt nun der paradoxe Fall ein, daß ein Unternehmen, das ertragsmäßig gefestigt ist, gleich viel wie ein anderes Unternehmen bekommt, das große Bauvorhaben verwirklichen muß und ohnehin schon in den roten Zahlen ist. Geradezu grotesk scheint es aber zu sein, daß die Verbundgesellschaft eine gleich große Erhöhung wie die anderen Unternehmen zugestanden bekam. Denn die Verbundgesellschaft ist der Hauptstromlieferant der einzelnen Gesellschaften. Diese werden also den Großteil ihrer Mittel, die sie aus den Preiserhöhungen erhalten, an die Verbundgesellschaft weitergeben müssen, da deren Strom ja auch um 14 Prozent teurer wurde.

Diese Lösung ist unrealistisch und verzerrend — der Konsument muß bei der geringsten Kostensteigerung mit neuen Anträgen der Gesellschaften rechnen — und in den nächsten sieben Jahren wird der Strompreis sicher nicht mehr — wie bisher — unverändert bleiben.

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